Kann eine Überzeugung erzwungen werden?
Für Paare, die sich gut kennen, mag ein gewisser psychischer Druck eine Spielart sein, die durchaus ihren Reiz hat, aber eben auch gewissen Grenzen unterworfen ist. Immer wieder fragen mich Subs, ob das, was ihr „Dom“ von ihnen verlangt, so wirklich in Ordnung geht.
Ich denke, wenn jemand ernsthaft über diese Frage nachdenken muss, dann wird meist etwas im Argen liegen. In diesen Fällen verlangte der dominante Part fast immer Dinge, zu denen Sub eigentlich nicht bereit war und nicht selten waren es erklärte Tabus der/des Sub.
Warum dies zu tun sei, da gab es meist immer die gleichen Antworten von Dom:
– Du bist Sklave/Sklavin, also musst Du machen was ich sage
– Das ist so üblich und das macht jeder (richtige BDSM-ler) so
– Wenn Du mich liebst, musst Du das machen
– Du musst mir vertrauen (sonst hat das alles keinen Sinn mit Dir)
Solche Aussagen sind keine Hilfe, sondern eigentlich im besten Falle eine subtile schlechte Art der Manipulation und im Normalfall eine stupide Erpressung. Nun zu den einzelnen „Argumenten“.
Du bist Sklave/Sklavin, also musst Du machen was ich sage.
Hey, warum diskutieren? Die Rollen sind klar, also Augen zu und durch. Nein, so funktioniert das nicht. Dom und Sub mögen in ihrer Rollenverteilung unterschiedliche Rechte und Pflichten haben, eine Pflicht für Sub, das Gehirn an Dom zu übergeben, besteht aber nicht. Alles, was zwischen Dom und Sub geschieht, beruht auf einer Freiwilligkeit.
Sub gestattet Dom zu dominieren, aber Sub bestimmt die Grenzen dieser Freiwilligkeit. Die Zeiten der realen Sklaverei sind in den Industrieländern zum Glück fast vollkommen vorbei (mehr zu dem beschämenden Thema der realen modernen Sklaverei). Sub muss nur tun, wozu Sub auch gewillt ist. Hat sie ein Tabu aufgestellt, hat niemand das Recht dieses Tabu zu brechen.
Auch sollte niemand überredet werden, wenn dann nur durch vertrauensbildende Handlungen überzeugt werden. Kommt der Dom mit dem Tabu nicht klar, ist es sein gutes Recht zu sagen, es passt nicht. Dies wiederum muss von Sub akzeptiert werden.
Die passende Neigung bedeutet nicht automatisch, dass man auch zusammen passt.
Das ist so üblich und das macht jeder richtige BDSM-ler so.
Eine sehr beliebte Ausrede, führt sie doch ebenfalls dazu, die Sache an sich nicht begründen zu müssen. Gerade Anfängern wird dieser Satz an den Kopf geworfen werden, wollen sie doch ein richtiger BDSM-ler sein und der erfahrene Dom muss ja wissen was dann zu tun ist.
Jeder BDSM-ler lebt seine ganz eigene Art von BDSM. Natürlich gibt es gewisse verbreitete Verhaltensregeln, aber niemand der BDSM mag, unterschreibt damit eine Clubmitgliedschaft mit festgelegten Statuten. Was zwischen wirklichen BDSM Paaren üblich ist, ist der Respekt füreinander und es ist sehr respektlos, jemanden in dieser Art und Weise mundtot zu machen und seine Bedenken einfach zu übergehen.
Wenn Du mich liebst, musst Du das machen.
Na ja, davon hat wohl jeder schon mal etwas gehört und diese Art der Erpressung ist auch außerhalb von BDSM vorkommend. Durch die Kopplung der Handlung an einen Liebesbeweis soll eine emotionale Krise erzeugt werden, in der das Bedürfnis größer ist, den Partner zu behalten bzw. ihm die Liebe zu beweisen, als das eigene Wohlergehen zu beachten.
Erpressung bedeutet, es fehlen die richtigen Argumente, um zu überzeugen. Wenn also die richtigen Argumente fehlen, wird die Sache an sich auch nicht richtig sein.
Du musst mir vertrauen.
Vertrauen und müssen, nun ist das nicht ein Widerspruch? Vertrauen ist etwas, das mit der Zeit zwischen zwei Personen wächst. Wenn Vertrauen demnach (noch) nicht da ist, hat dies seinen Grund. Ein Dom, der Vertrauen erzwingt, sollte mit äußerster Vorsicht „genossen“ werden, denn die Wahrscheinlichkeit dass er dieses Vertrauen ausnutzen wird, ist sehr hoch.
Der andere Weg
Jemanden wirklich zu überzeugen, das ist sicher zeitaufwändiger als auf die obigen Mittel zurückzugreifen, aber es ist es wert, dies zu versuchen. Überzeugt man den Partner (auch Sub kann Dom überzeugen, eines seiner Tabus aufzugeben), so wird dies das Band zwischen beiden stärken und auf Dauer können beide intensiver miteinander interagieren.
Um seinen Partner zu überzeugen, sollte man sich erst einmal mit dem Standpunkt des Gegenübers auseinandergesetzt haben. Kenne ich diesen, weiß ich, wo der andere Chancen und Risiken sieht. Mit etwas Glück gibt er selber Tipps, wie er überzeugt werden kann.
Gerade auf die Bedenken muss aktiv eingegangen werden und es müssen gute Argumente gefunden werden, die diese Bedenken entkräften. Bedenken sind des Öfteren sehr emotionaler Natur und auch wenn Rationalität eine gute Gesprächsgrundlage ist, muss auf die emotionalen Bedürfnisse eingegangen werden.
Vieles ist eine Frage des richtigen Umgangs miteinander, hier spielt Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen dessen, der überzeugen will, die entscheidende Rolle.
Sollte es nicht klappen, lasst das Thema ruhen, irgendwann ergibt sich sicher die Gelegenheit, es wieder aufzugreifen, jedoch nicht zu schnell, denn das wirkt eher bedrängend und damit kontraproduktiv.
Wird hingegen überzeugt, dann geht kleine Schritte, denn geht ihr zu weit, kann damit viel zerstört werden. Hat der andere zum Beispiel Angst davor fixiert zu sein, so fangt anfangs leicht an mit einer Fesselung, aus der er/sie sich befreien kann.
Schritt für Schritt und immer nur, wenn sich der andere wohl fühlt, wird nun die Intensität der Fixierung erweitert. Dieses langsame Heranführen ist eigentlich in jedem Bereich und auch bei jeder Spielart möglich.
„Überzeugen“ bedeutet Herz und Verstand des anderen zu gewinnen und so einen gemeinsamen Weg zu finden. „Überreden“ oder „Erpressen“ hingegen zeugt davon, selbst nicht von diesem Weg überzeugt zu sein oder den anderen nicht als so wertvoll zu betrachten den Weg zusammen zu gehen, denn in diesem Fall ist es ein Hinterherschleifen.
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