Kapitel 3
Sigis Erzählung – Gegenwart
Nachdem Heinz, mein Daddy-Kunde, gegangen war, habe ich erstmal gebadet. Dieser Typ meint, er könne über mein Leben bestimmen, nur weil er mit mir die Freuden erlebt, die ihm seine Frau nicht oder nicht mehr gewährt. Aber das kriege ich schon wieder hin. Zufällig weiß ich, daß seine Alte auch auf junge Mädchen steht, mit anderen Worten ihre lesbische Ader entdeckt hat. Na, die kann was erleben!
Und damit sie anschließend ihrem dicken Ehemann wieder regelmäßig die Nüsse leert, werde ich mich mit Tina zusammentun. Die ist zwar kein junges Ding mehr, aber eine erfahrene Lesbe. Und der hat bisher noch jede anschließend aus der Hand gefressen. Wer einmal mit Tina im Bett war, ist entweder geheilt, umgedreht oder begreift, daß es immer besser ist, auch das eigene Geschlecht in das Liebesleben zu integrieren.
Wobei Tina jetzt keine Hardcorelesbe ist. Immerhin hat sie Robert auch einmal getröstet und ist dabei voll auf ihre Kosten gekommen. Aber wenn sie die Wahl hat, dann nimmt sie lieber Mädels. Sie und Silke leben zur Zeit zusammen. Es scheint zu funktionieren.
***
Ich sitze hier jetzt am Schreibtisch in meinem kleinen Apartment. Wie fast jeden Monat lasse ich Teile meines Lebens Revue passieren. Vor nicht einmal ganz sieben Jahren verlor ich meine Unschuld. Das habe ich selber so gewollt. Ich erlebte die Krönung einer Liebe zu einem Mann, die bereits in der Kindheit begann. Eigentlich bei meiner Geburt. Ich habe in meiner Kinderzeit nichts wirklich vermißt. Ich bin wohl behütet aufgewachsen. Ich konnte jederzeit mit allem, was mich bedrückte oder auch erfreute immer zu meiner Bezugsperson hinkommen.
Und das war mein Vater. Er hat sich am Tag, als ich gezeugt wurde, für mich entschieden. Und, wie ich später herausbekam, auch schon während der Schwangerschaft geschützt. Denn er hat mich gewollt. Die Frau, die mich geboren hat, also meine Mutter, hätte mich sofort wegmachen lassen, wenn er nicht gewesen wäre. So war mein Vater schon damals mein Beschützer.
Ich habe ihn mal gefragt, ob er nicht manchmal die Brocken hinschmeißen wollte. Denn immerhin – ein Kind quasi alleine großziehen, mit allem, was dazu gehört, ist eine Aufgabe, die nicht jede Frau hinkriegt und schon gar nicht jeder Mann! Ich war wohl kein einfaches Kind, weil ich sehr lebhaft war und ständig Aufmerksamkeit brauchte.
Aber ich bekam sie auch und zwar dann, wenn ich sie brauchte. Dadurch wurde ich normal. Kein ADHS, kein krankhaftes oder sozial auffälliges Verhalten. Mein Vater hat mir immer das gegeben, was ich benötigte. Ich hatte keinen Mangel. Der einzige dunkle Fleck war meine Mutter, die keine war. Sie lehnte mich von Anfang an komplett ab.
Und auch das kompensierte mein Vater. Irgendwann kam ich einmal traurig zu ihm. Es war mein 11. Geburtstag. Ich hatte in der Schule beim Wettbewerb den ersten Preis gemacht, der an meinem Geburtstag überreicht wurde. Mein Vater schmiß sich in Schale, ich sah aus wie eine Prinzessin. Sogar meine Mutter kam. Allerdings in ihren Gesundheitsfummeln. Und glich eigentlich mehr einer Vogelscheuche.
Ich schämte mich in Grund und Boden. Natürlich hatte sie wieder meinen Geburtstag ‚vergessen‘. Das tat sie immer. Sie wollte nicht daran erinnert werden, daß ich irgendwann mal aus ihrer Fotze gerutscht war. Damals war ich sauer, wütend und heulte mir die Augen aus. Mein Vater nahm mich auf seinen Schoß und in die Arme. Er tröstete mich. Sol lange, bis ich ruhig wurde.
Als ich dann mit ihm darüber sprach – ein paar Tage später – erklärte er mir das, so daß ich es verstehen konnte. Ich hasse meine Mutter nicht. Ich habe für Sie nur noch Mitleid. Mehr kann ich ihr nicht geben. Sie ist eine schwerkranke Frau, die dringend Hilfe braucht. Nur sieht sie das nicht ein. Selbst Silke kommt im Moment an sie nicht ran. Und sie ist eine wirklich gute Psychologin.
Und doch habe ich einiges auch von ihr. Das darf ich nicht vergessen. Denn auch wenn mein Körper der einer schlanken jungen Frau ist, es sind ihre Anteile, die in meinen Genen schlummern. Und ich liebe meinen Körper. So wie ich mich selbst angenommen habe und mit allen Facetten ja sagen kann zu mir. Nicht zu der gegenwärtigen Situation.
Aber selbst hier zeigt sich die gute Erziehung meines Vaters. Er sagte mal, egal, wie eine Situation aussieht, Du mußt sie erst einmal annehmen, denn im Moment gibt es keine andere. Und dann das Beste daraus machen. Diesen Satz habe ich mir gemerkt, er hing lange über meinem Bett. So versuche ich im Moment, genau das zu tun.
Denn mein Zuhause habe ich verloren. Unser schönes Heim ist, zumindest vorrübergehend, nicht mehr unser Heim. Silke hat es damals schon vorhergesehen. Daß die Zeiten turbulent würden. Daß Zeiten kommen würden, von denen man gemein hin zu sagen pflegt: „Na, das sind aber Zeiten!“ Wir leben getrennt voneinander. Mein Mann und Vater, der auch der Vater meiner Tochter ist, sitzt im Moment im Knast. Maßregelvollzug hat der Richter das genannt.
Warum? Wir waren auf dem Weg nach Asien gewesen. Wir besaßen neue Papiere, die jeder Überprüfung standhielten. Neue Identitäten. Davon weiß hier, wo wir gestrandet sind, allerdings niemand etwas. Hier leben wir unter unseren alten Namen. Wenigstens das haben sie nicht rausgekriegt. Wir haben Masken benutzt. Und mit denen sind unsere Fotos gemacht worden.
Aber im Moment können wir nicht reisen. Mein Vater ist zu drei Jahren verknackt worden. Angeblich wegen Körperverletzung. Was aber nicht stimmt. Und ich bin noch nicht einmal der Stein des Anstoßes. Ich lache heute noch, wenn ich daran denke, daß sie das mit uns immer noch nicht wissen. Der Schauspielunterricht hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Denn das ist meine aktuelle Berufsbezeichnung: Schauspielerin und Künstlerin.
Meine Bilder bekamen eine eigene Ausstellung. Doch der Verkauf geht nur schleppend. Wir brauchen Geld. Papas Konten sind eingefroren worden. Angeblich wegen unerlaubter Transaktionen. Hat er nie gemacht, ich weiß. Ich kenne seine Geschäfte. Die sind immer sauber gewesen.
Nein, da zieht jemand anders im Hintergrund die Fäden. Jemand, der uns Böses will. Aber wir brauchen Geld. Viel Geld. Für ein Wiederaufnahmeverfahren. Damit der Prozess neu aufgerollt und verhandelt wird. Und Geld für unsere weitere Flucht. Insgesamt etwa 10 Mio. Euro. Woher nehmen? Ich weiß es nicht.
Das ist der Grund, warum ich mich unter falschem Namen hier einquartiert habe. Ich bin offiziell bei einem escortservice. Und arbeite nebenher als Hure der gehobenen Klasse. Meine Stunden sind teuer. Mein Service diesen Preis allerdings auch wert. Ich rauche nicht, ich trinke nicht. Keine Drogen. Ich ernähre mich gesund, mache viel Sport und bin Everybodys Darling. In der Künstlerszene werde ich inzwischen als die Neuentdeckung gefeiert.
Andrea managt alles. Ja, genau die Andrea! Meine Cousine, Freundin, Verschworene. Inzwischen mit Dennis verheiratet. Und meine Busenfreundin Bettina. Sie arbeitet auch als escort. Ihre Ehe mit ihrem Freund von damals hat nicht gehalten. Sie verlor ihr gemeinsames Kind. Silke betreut sie intensiv. Dadurch kann sie endlich ihre schlimme Vergangenheit aufarbeiten. Wir vier Mädels – pardon: gestandene Frauen – bilden eine Clique, die stärker zusammenhält, als Pech und Schwefel.
Wir haben uns ein Haus gemietet. Es gehört einer entfernten Tante von Andrea und mir. Tante Audrey ist knapp 80, fit wie ein Turnschuh und froh, daß sich jemand um ihr Anwesen kümmert. Nachdem wir erst einmal den Status Quo hergestellt hatten – Der Garten war eine einzige Wildnis und das Haus eine Behausung von allem möglichen, was mehr als zwei Beine hat – haben wir uns hier häuslich eingerichtet. Auch das Dach ist wieder dicht, die Nässe entfernt, das ganze Gemäuer wieder wohnlich.
Tante Audrey hat das Anwesen nicht wiedererkannt, als sie uns zu unserer Einweihungsparty besuchte. Hätte ich mir das damals träumen lassen, als ich begann, meine Liebe mit dem Mann zu leben, der mein Ehemann ist? Nein. Tante Audrey weiß übrigens Bescheid. Über alles. Und sie ist auf unserer Seite. Robert ist ihr Lieblingsneffe. Angenommen.
Sie sah mich an, als wir sie besuchten. Ihre alten, erfahrenen Augen nahmen alles wahr. Ihr Blick ist klar, wie ihr Verstand. Und sie braucht Menschen nur anzuschauen. Und weiß Bescheid. Wir haben damals, da war ich 17, bei ihr. Ohne was zu sagen gab sie uns ein Doppelzimmer. Wünschte uns zur guten Nacht viel Spaß. Mir wurde heiß und kalt zugleich.
Am nächsten Tag war ich sehr früh auf den Beinen. Nicht früh genug für Tante Audrey. Die saß bereits am Frühstückstisch, komplett angezogen. Sie lächelte, als ich herein kam. Ich setzte mich zu ihr. Wir haben uns nur unterhalten. Über Schule, das Leben und so. Dann sah sie mich an. Genau. Scharf. Seufzte.
„Sigi, ich darf Dich doch so nennen?“
„Ja, klar! So nennt mich jeder.“
„Kind, ich weiß, was los ist mit euch.“
„Woher weißt Du es?“
„Nun, ich habe Augen im Kopf. Mein Verstand funktioniert einwandfrei und mein Herz ebenfalls. Ich brauche keine langen Erklärungen. Was ich sehen muß, sehe ich. Wie lange geht das schon so?“
Nun, da Leugnen keinen Sinn machte, habe ich ihr alles erzählt. Als ich zu meiner Mutter kam, winkte sie ab.
„Geschenkt“, meinte sie nur. „Diese Person ist verdorben. Ich habe mich damals gefragt, was Robert an ihr findet. Offensichtlich das Beste, was jemals daraus hervorgekommen ist: DICH!“
Ich sah sie nur an.
Dann meinte sie: „Ich nehme an, ihr seid euch darüber im Klaren, was das für euch bedeutet?“ Ich nickte. „Ja, ich glaube schon.“
„Sigi, sie werden euch verfolgen. Versuchen, euch auseinander zu bringen. Bist Du schwanger?“
War ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Aber kurz davor.
„Du wirst es werden. Robert liebt Kinder. Und er liebt Dich. Wenn sie euch nicht auf die Schliche kommen, was eure Beziehung angeht, so werden sie andere Möglichkeiten suchen. Irgendwelche verdorbenen und nichtsnutzigen Menschen gibt es immer, die für Geld alles machen. Auch falsche Zeugenaussagen. Nehmt euch in Acht. Die werden sich auf euch einschießen.“
„Wer sind die, von denen Du da redest?“
„Die anderen. Diejenigen, die euch euer Glück nicht gönnen. Deine Mutter, zum Beispiel. Daß sie krank ist, ist allgemein bekannt. Daß sie verrückt ist, auch. Daß sie aber auch gefährlich ist, weiß bis jetzt keiner. Auch wenn ihr euer Verhältnis vor ihr geheim gehalten habt, sie wird es riechen. Dumm ist sie nicht, nur meschugge. Und sie hasst Robert und Dich sowieso. Und sie hat einen ganzen Stall von Hengsten, deren einzige Qualität das Stück Fleisch zwischen ihren Beinen ist, die ihr aus der Hand fressen.“
„Sie ist wohl eine große Hure, nicht wahr?“ fragte ich sie.
„Oh ja, das ist sie. Ich habe nichts gegen Huren. Es gibt Situationen im Leben, da muß Mann oder Frau über den eigenen Schatten springen. Ich kenne einige, die es wirklich getan haben, weil ihnen nichts anderes mehr übrig blieb. Aber als Menschen schätzte ich sie sehr, weil ihre Qualitäten in ihren Charakteren lagen. Deine Mutter ist eine abgefuckte Nutte. Und nichts wert.“
So harte Worte hatte ich bisher noch nicht einmal von Robert vernommen. Und sie hatte ihm wirklich übel mitgespielt. Doch diese alte Dame vor mir kannte die Menschen in- und auswendig. Ihr machte niemand was vor. Sie selbst war in ihrer Jugend gebrochen worden. Doch ihr Charakter war immer aufrecht gewesen. Als junge Frau hatte sie ihr behindertes Kind alleine großgezogen.
Sie selbst war in einer Zeit großgeworden, wo das bereits eine Schande war. Sie hatte dem falschen Mann vertraut. Und war in den Dreck geworfen worden. Ein ganzer Ort war daran beteiligt gewesen. Da sie außergewöhnlich schön war und viel aus ihrem Typ machte, nahm sie ein reicher Mann mit nach Amerika.
Sie heirateten mit Ehevertrag, den sie so aufsetzte, daß, sollte ihr Mann sie verlassen, er arm wie eine Kirchenmaus würde. Die Ehe hielt. Und wurde glücklich. Ihr Sohn starb trotz aller Pflege mit 16 Jahren an einem Aneurysma. Ihr Mann blieb bei ihr. 20 Jahre waren sie zusammen. Dann wurde er aus ihrem Leben gerissen durch einen schweren Unfall. Als Industrieller und Ölmagnat besaß sie jetzt seine Milliarden. Sie wandelte die Firma in eine Holding Company um und übertrug die Leitung einem Konsortium von Fachleuten.
Mit 45 Jahren war sie eine der begehrenswertesten Witwen Amerikas, doch sie heiratete nie wieder. Ihre Liebschaften hielten sich in Grenzen und waren stets sehr diskret. Was Audrey auszeichnete, war die Tatsache, daß sie immer das Beste aus jeder Situation machte. Sie nutzte ihre Möglichkeiten. Und sie war stets gerecht. Und das schätzte man an ihr. Auch ihren Weitblick. Denn wer kann schon von sich sagen, daß er oder sie mit bereits 50 Jahren als weise gilt?
Tante Audrey und ich schlossen uns zusammen. Auch Silke, Andrea und Bettina mochten sie sehr. Und sie half uns, wo es nur ging. Weil ihr imponierte, was wir vier Mädels auf die Beine stellten. Auch das Wiederaufnahmeverfahren war ihre Idee. Doch dafür brauchte es spezielle Anwälte. Und die waren rar gesät. Und teuer. Prozesse vor Oberlandesgerichten gingen schwer ins Geld. Da waren mitunter schon mal eine oder zwei Millionen geflossen, bevor ein Urteil erging.
Und hier war erstmal eine gründliche Recherche nötig. Tante Audrey hatte einen angenommenen Neffen, der als Privatdetektiv arbeitete. Und Zugang hatte zu nahezu jede Institution, Firma, Behörde oder was auch immer. Wie er das schaffte, war sein Berufsgeheimnis. Aber die Informationen, die er nicht herausfinden konnte, gab es nicht.
Und der stellte sich vor zwei Wochen bei uns vor. Audrey brachte ihn mit. Er war kein Kostverächter, das sah man gleich. Oh, er war sportlich, gut in Form, schlank und – angesichts so viel geballter Weiblichkeit – geil. Wir bewirteten ihn und er genoß unser Anwesen. Doch nach dem Essen war Schluß mit Genuß.
Er nahm ohne Umschweife sein Diktiergerät aus der Tasche, reichte mir einen Stapel Papiere. Die nahm Audrey an sich und füllte sie aus, bis auf die Vollmacht, die ich unterschrieb. Mit richtigem Namen, versteht sich. Dann ließ er sich die Adresse von Roberts Anwalt geben, damit er Einsicht in die Prozessakten bekam.
Doch mehr noch war im wichtig, den Richter ausfindig zu machen. Auf meine Frage erklärte er mir, daß er bei Gericht das vollständige Protokoll lesen könne. Und das sei hier wichtig. Sämtliche Zeugenaussagen müssen überprüft werden.
Wir setzten uns ins Arbeitszimmer. Nach zwei Stunden war alles besprochen. Audrey würde die Rechnung und einen Tätigkeitsbericht bekommen. Sie verschwand auch bald, da sie mit Bettina und Andrea noch einen Familienbesuch machen wollte. Silke war in der Praxis. Ich lud ihn ein, zu bleiben. Dann entschuldigte ich mich kurz. Und kam mit einem Hauch von Nichts wieder.
Ich genoß nach langer Zeit endlich wieder einmal einen Mann, den ich wollte und mit dem ich nicht fickte, weil es Geld brachte. Sein starker Stamm nahm meine gefräßige Muschi in Bann und als wir uns nach mehr als drei Stunden trennten, waren wir beide total befriedigt.
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