Zur Abwechslung mal ein Teil ohne Sex.. Sorry, aber der hätte einfach nicht zur Stimmung im Kapitel gepasst. Ab dem nächsten Kapitel gibts dann wieder mehr „Action“. 🙂
Der Fahrer wendete seinen Wagen und fuhr ihn über den Heumarkt hinweg auf die Rhein-Ufer-Strasse. Wir folgten dem Konrad-Adener-Ufer und ich nutze die Zeit, um aus dem Fenster zu schauen und dem stillen Fluss des Rheins zuzuschauen. Nun war ich also auf dem Weg zu einem Ort, den ich nur aufsuchte, weil eine mir fremde Person am Telefon mir indirekt dazu geraten hatte. Das ganze schrie so laut nach einer Falle, dass selbst die besten Ohrstöpsel nicht verhindern konnten, es zu hören. Und trotzdem fuhr ich geradewegs dorthin.
In Rhiel namen wir die Boltensternstrasse, die uns geradewegs zum Hafengelände führte. Stapel- und Hansekai waren um diese nächtliche Stunde gesperrt, so dass der einzige Weg, der uns blieb, der Lagerhauskai war. Der Fahrer bremste ab und bog dann zwischen die Lagerhäuser ein. Dann stoppte er sein Taxi und liess mich aussteigen.
„Dann noch einen schönen Abend“, wollte er sich schon verabschieden, doch ich stoppte ihn.
„Schalt den Motor ab und bleib ruhig“, bat ich ihn. „Ich werde sicher nicht lange brauchen. Und dann kannst du mich gleich wieder zurück fahren.“
Ich schloss die Beifahrertür hinter mir und schaute mich um. Die Wolken am Himmel hatten sich inzwischen ein wenig gelichtet und der Mond tauchte die Lagerhäuser in ein silbrig schimmerndes Licht. Menschen waren nirgendwo zu sehen und auch Fahrzeuge konnte ich keine erblicken. Fast schien es so, als wäre ich umsonst in diese verlassene Gegend gefahren.
Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Der Anrufer hatte nicht so geklungen, als würde er einen schlechten Scherz mit mir treiben. Und je nachdem, was hier vor sich ging, konnte es gut sein, dass sich alles im Inneren eines der Lagerhäuser abspielte.
Ich ging also los und näherte mich einem der Gebäude. Es war eines dieser typischen Lagerbauten mit Flachdach und gewaltigem Eisentor. Direkt neben dem Eisentor führte eine zweite, etwas schmalere Eisentür ebenfalls in das Innere.
Langsam trat ich auf die Tür zu, als mich ein dunkler Fleck auf dem Steinboden unter meinen Füßen stutzig machte. Ich kniete mich hin und nahm den Fleck so gut es die Dunkelheit zuliess genauer in Augenschein.
Aus der Nähe entpuppte sich der Fleck als eine Ansammlung vieler kleiner Spritzer, die dabei waren, zwischen den Pflastersteinen zu versickern. Ich beugte mich noch etwas näher in Richtung des Bodens und sog die Luft einmal tief durch die Nase. Meine Befürchtung, die sich in meinem Kopf gebildet hatte, bewahrheitete sich. Blut!
Es musste noch relativ frisch sein, sonst wäre es schon weiter im Boden versickert. Ich schaute mich um, doch von einem Verletzten oder gar einer Leiche war in meiner Nähe nichts zu sehen. Von wem auch immer das Blut stammte, die Person befand sich nicht mehr hier. Jedenfalls nicht in einer Distanz oder an einem Ort, den ich von hier draussen überblicken konnte.
Ich richtete mich gerade wieder auf, als ich hinter mir das Brummen eines Automotors hörte. Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch, wie das Taxi, mit dem ich gekommen war, wendete und dann so schnell es ging den Kai entlang in Richtung Boltensternstrasse jagte.
Ich fluchte leise in mich hinein. Unzuverlässiger Faulpelz! Und ich hatte mir noch nicht mal seine Fahrzeugnummer notiert. Sonst wäre gleich morgen früh ein Anruf bei der Taxizentrale fällig gewesen. So aber war ich nun auf mich alleine gestellt. Angesichts des Blutfundes war das allerdings vielleicht auch nicht die schlechteste Variante.
Ich nahm mir einige Augenblicke, um meine Gedanken zu ordnen. Von wem konnte das Blut stammen? Von dem Anrufer vielleicht? Dann war es nicht allzuweit hergeholt, davon auszugehen, dass sein Anruf bei mir ihm nicht sonderlich gut bekommen war. Es senkte zudem die Wahrscheinlichkeit, dass es sich hier tatsächlich um eine Falle für mich handelte. Wobei, wenn der oder die Angreifer mitbekommen hatten, wen er angerufen hatte, konnten sie dennoch eine Falle für mich vorbereitet haben. Lange genug hatte ich ja gebraucht, um hierher zu kommen.
Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Stunden verfluchte ich mich dafür, dass ich meine Handyrechnungen nicht bezahlt hatte. Bei Blut wäre ein Anruf bei der Polizei die logische Reaktion gewesen. Sollte sich doch die Spurensicherung darum kümmern. Wenn es sich tatsächlich um einen tätlichen Angriff handelte, war es am Ende sowieso ein Fall für die Kriminalpolizei.
Aber ohne Handy war ein solcher Anruf nicht möglich. Und ich wusste aus eigener Erfahrung, dass Zeit in einem solchen Moment von entscheidender Wichtigkeit sein konnte. Mit jeder Stunde, die verging, verschwanden Spuren automatisch und machten die Auflösung des Falles um so schwieriger bis sogar unmöglich. Ob ich wollte oder nicht, mir blieb keine andere Wahl, als mich selber umzusehen und herauszufinden, was hier vor sich ging, wenn ich wollte, dass etwas geschah.
Ich atmete einmal tief durch und trat dann auf das nächste Lagerhaus zu. Die Eingangstür war wie zu erwarten verschlossen, also ging ich an der Wand entlang und erreicht so einen kleinen Durchgang, der zwischen diesem und dem nächsten Gebäude in Richtung der Hafenmauer führte. In einiger Entfernung blitzte an der Hauswand etwas auf, was womöglich ein Fenster sein konnte. Vielleicht war das eine Möglichkeit für mich, zumindest einen Blick in das Lagerhaus zu werfen.
In dem Durchgang herrschte eine Dunkelheit, die mit der Bezeichnung pechschwarz noch wohlwollend beschrieben gewesen wäre. Ich griff in meine Jacke und holte mein Handy hevor. Glücklicherweise brauchte man keinen Vertrag, um die technischen Errungenschaften moderner Telefone zu nutzen. Ich rief also das Menü auf und knipste mit einem Druck auf das Display die eingebaute Taschenlampe des Handys an.
Dann zog ich meine Waffe und lud sie mir einem kurzen Zug am Schlitten durch. Nennen Sie es ein Bauchgefühl, aber mir war alles andere als wohl in dieser Situation. Und wenn es hier jemandem gab, der mir eins über den Schädel ziehen wollte, so wollte ich in der Lage sein, seinem Vorhaben zuvor kommen zu können, wenn es so weit war.
Langsam und mit der Taschenlampe so gut es ging den Durchgang ausleuchtend bewegte ich mich vorwärts. An der Hauswand zu meiner linken befanden sich einige Kisten, um die ich herumtrat. Als der Lichtkegel meines Handy an der Wand dahinter nach unten glitt, stockte mir für einen Augenblick der Atem.
Im Lichtschein sah ich deutlich den zusammengesunkenen Körper von Stephan Marschall. Sein Kopf hing auf seiner Brust und unter seinem Körper hatte sich eine breite Blutlache gebildet. Ich kniete mich hin und tastete nach seiner Halsschlagader. Nichts! Wer auch immer ihn erwischt hatte, hatte ganze Arbeit geleistet. Mein ehemaliger Kollege war tot.
Ich liess den Lichtschein an ihm hinabgleiten und fand recht schnell den Grund seines unerfreulichen Zustands. In seinem Bauch klaffte eine rot-schimmernde Wunde, deren Ränder unappetitlich zerfetzt waren. Wenn mich nicht alles täuschte, stammte das Loch in seinem Körper von einer aus nächster Nähe abgefeuerten Kugel, Kaliber 9mm. Dafür sprach auch die schwarze Umrandung des Lochs in seinem Hemd, das über der Einschussstelle rußgeschwärzt war.
Entgegen aller Vernunft begann ich, Marschalls Taschen zu durchsuchen. In der Innentasche seiner Jacke fand ich einen kleinen Flachmann. Außerdem konnte ich seine Brieftasche finden, in der ausser seinem Ausweis und zwei 20-Euro-Scheinen aber nichts war. Ich schraubte den Flachmann auf und roch daran. Whiskey! Schien so, als würde Marschall noch immer den gleichen Geschmack haben wie früher.
Ich wollte mich gerade aufrichten, als ich Schritte hörte. Noch bevor ich mich umgedreht hatte, durchzog ein stechender Schmerz meinen Körper. Die Wucht eines sauber ausgeführten rechten Hakens traf meine Wange und riss ein gutes Stück Haut aus meinem Gesicht. Ich stöhnte auf und wurde von dem kräftigen Schlag zu Boden geschickt.
Dabei zuckte mein Zeigefinger und der Knall meiner Waffe durchbrach die Stille. Die Lagerhäuser zu meinen Seiten echoten das Geräusch hinaus in die dunkle Nacht, während die Kugel durch die Luft zischte. Das Mündungsfeuer erhellte für eine Sekunde den Durchgang und ich konnte die Umrisse eines fremden Mannes entdecken, der vor mir stand.
In diesem Moment zuckte der Mann kurz zusammen. Ein Knurren entwich ihm und er schaute von oben auf mich herab. Der Mann war mindestens 1,90m gross und mir war klar, dass ich in einem fairen Kampf keine Chance gegen diesen Brocken haben würde. Zumal mein Kopf noch immer nicht ganz aus seinem restalkoholisierten Zustand erwacht war.
Ich richtete mich leicht auf und wollte mich gerade auf mein Gegenüber stürzen, um das Überraschungsmoment zu nutzen, als der Mann sich umdrehte und mit weiteren Schritten davonlief. Auch ich sprang auf und ignorierte das Pochen hinter meinen Schläfen, dass sich mit jedem Schritt verstärkte. Ich rannte dem Mann hinterher, vorbei an den Kisten und auf die Strasse zu, die sich vor den Lagerhäusern entlangzog.
Ich hatte die Strasse kaum erreicht, als mich das Jaulen von Sirenen erreichte und ein heller Lichtschein meine Sehfähigkeit mit einem Mal ausknipste.
„Keine Bewegung!“ erklang eine laute männliche Stimme. „Polizei! Lassen Sie die Waffe fallen!“
Das Blut gefror in meinen Adern. Ich liess meine Waffe fallen, hob die Hände und legte sie auf meinem Kopf ab. Dann sank ich auf die Knie und wartete darauf, dass mich die uniformierten Polizisten mitnahmen. Hatte ich bis gerade noch gedacht, am Arsch des Lebens zu hausen, so hatte mich das Schicksal gerade bis in den Dünndarm vorgeschoben.
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