Neue Rocker in der Stadt
von Andrew_K 2020
Ivan Patrenkow war nicht davon begeistert, als er es hörte. Er mochte keine Veränderungen. Vor allem nicht, wenn die Veränderungen etwas mit einem MC zu tun hatten. Wo immer so was auftauchte, gab es anschließend Ärger. Sie taten so, als gehörten Ihnen die Welt. Sie waren laut, an ihnen klebten ständig die Bullen und sie zeigte kein Respekt. Um so verwunderter war er, als so ein kleines Mädchen in seinen Club getrabt kam und an der Bar um die Audienz bei ihm bat. Sie trug das Symbol der neuen Rocker groß auf ihrem Shirt.
Aus seiner Heimat wusste er, dass dies nichts gutes sein konnte. Da war es schon vorgekommen, dass jemand so ein unschuldiges Ding herein gelassen hatte und dann mit 3 Löchern in der Brust aus dem Leben schied. „Wenn die Kleine zu mir will. Dann soll die erst mal ablegen“, gab er nach vorne weiter. Das Mädchen legte den Kopf schief, zuckte dann mit den Schultern und zog sich vor der Theke komplett aus. Mit in die Seiten gestemmten Armen stand sie vor seinen glotzenden Untergebenen. Er winkte, dass sie eingelassen wurde. So viel Mut bewunderte er einfach und das musste belohnt werden.
Kurze Zeit später saß das Mädchen noch immer nackt auf der anderen Seite seine Schreibtisches und musterte ihn neugierig. Sie war höchstens 15, wenn er seine eigene Tochter als Vergleich heranzog. Aber sie war schon tätowiert. Sie hatte das Zeichen der neuen Rocker unter ihren kleinen Jungmädchentitten und präsentierte dieses Stolz. Auch der Brief in seiner Hand besaß dieses Logo. Er legte ihn erst mal nur auf den Tisch.
„Was soll das werden?“ fragte er das Mädchen.
„Ich bin nur als Bote hier. Ich soll ihnen den Brief geben und wenn möglich eine Antwort zurück bringen.“
„Hmm.“
Wieder schaute sich die beiden eine Zeitlang an.
„Warum starrst du mich so an“, fragte er.
„Ich habe noch nie einen echten Mafiosi gesehen. Sie sehen garnicht so aus.“
„Wie soll ich denn aussehen?“
„Skrupellos und böse, so irgendwie.“
„Bist du jetzt enttäuscht?“
„Ein bisschen, aber das ist nicht schlimm.“
„Du bist ein merkwürdiges Mädchen.“
„Das sagt man mir öfters.“
Wieder sahen sie sich an.
„Hast du keine Angst“, fragte er jetzt.
„Nein. Ich bin nur ein Mädchen, was würden sie mir den schon tun?“
„Ich könnte dich hier behalten und zu meinen Mädchen stecken.“
„Das würde meinem Vater nicht gefallen. Der weiß nicht, dass ich hier bin. Der denkt, dass ich gerade in einem Hörsaal sitze.“
„Hörsaal? Wie alt bist du denn?“
„Fünfzehn. Ich habe ein paar Klassen übersprungen.“
Ein paar mehr Klassen fügte Patrenkow in Gedanken hinzu. Was mussten die Rocker für eine Anziehung haben, dass sie ein solch intelligentes Mädchen dazu zu bringen, für sie zu arbeiten.
„Und du hast dein Studium geschmissen für deine neuen Herren?“
„Das sind nicht meine Herren und nein, ich habe mein Studium nicht geschmissen, aber ich brauchte mal ein Tag Pause.“
„Was studierst du denn?“
„Ingenieur für Nachrichtentechnik im Fernstudium. Der erste Monat sind Grundkurse Vorort. In einer Woche fahre ich wieder nach Hause.“
„Und wo ist dieses Zuhause?“
„Das kennen sie bestimmt nicht. Westerburg. Das ist zwischen Köln und Frankfurt.“
Patrenkow hatte keine Ahnung, wo das war.
„Kennst du den Inhalt des Briefes?“
„Ja.“
„Was steht in dem Brief?“
„Eine Einladung zu einem Treffen zwischen meiner Chefin und ihnen.“
„Eine Chefin? Wo will sie sich denn treffen?“
„Kennen sie den Haubentaucher? Da will sie sich mit ihnen treffen.“
„Ja den kenne ich. Wann?“
„Morgen Mittag, wenn es ihnen passt.“
„Okay. Das kann ich einrichten. Woran kann ich sie erkennen?“
„Sie hat das gleiche Tattoo wie ich. Sie wird in einem Liegestuhl liegen.“
Mia stand auf und wollte sich zum Gehen wenden.
„Habe ich dir erlaubt, aufzustehen?“
„Wir haben alles besprochen. Damit ist meine Anwesenheit hier nicht mehr notwendig. Wenn sie mich aber hier behalten, dann wird meine Chefin das nicht freuen. Sie muss dann meinem Vater erklären, warum ich nicht in einem Hörsaal sitze. Und das will sich die nicht antun. Also wird sie mit allem, was sie hat, herkommen und mich abholen.“
„Ist das eine Drohung?“
„Das ist ein Hinweis.“
„Du bist wirklich taff.“
„Danke.“
„Du kannst gehen und deiner Chefin sagen, dass ich morgen kommen werde.“
„Alles klar, richte ich aus.“
Und schon war das Mädchen aus seinem Büro. Er sah zu, wie sie sich wieder anzog und dann aus seinem Klub verschwand. Er sah sich den Umschlag an. Er sah aus wie Firmenpapier. Er öffnete den Umschlag und fand darin eine Eintrittskarte für den Haubentaucher. Er grinste. Er mochte es, wenn sich seine Gegner vorher informierten, wer er war. Das machte es bei den Verhandlungen um einiges einfacher. Trotzdem. Dieses Leute waren merkwürdig. Sie waren eine unbekannte Größe und sie vollführten ihr Handeln mit bedacht. Er war gespannt, was sie von ihm wollten.
Mia hüpfte ins Taxi, dass draußen vor dem Klub gewartet hatte. Am Steuer saß Sakute. Dass er Taxi fuhr, dass hatte sie im Laufe des Abends bei dem SM-Stammtisch erfahren und sich von ihm die Nummer geben lassen. Seitdem ließ sie sich überall hinkutschieren. Dass sie gerade in den Stadtbekannten Treff der Russenmafia reinspaziert war, dass war ihm nun doch nicht ganz geheuer. Es dauert etwas, bis er sich wieder dazu durchrang, sie anzusprechen.
„Du weißt, wo du gerade drin warst?“
„Einem Club. Stand ja auch groß genug über der Tür.“
„Was hast du da gemacht?“
„Ich habe mich nackt ausgezogen, habe mich mit deren Boss unterhalten und bin dann wieder raus.“
Sakute, der im bürgerlichen auf den Namen Paul hören musste und es wie die Pest hasste, sah Mia breit grinsend auf der Rücksitzbank sitzen. Es war wirklich so, dass sie nur die Wahrheit sagte. Sie war deutlich härter im Nehmen, als es den Anschein erweckte. Er hatte sie sofort begehrt, als er sie vor der Tür des Cafés zur Gerte sah. Er dachte, dass sie sein Ying sein könnte, der Wildfang, den man sich mit viel Energie zurecht biegen musste. Ein gegenseitiger Kampf. Sub und Bottom zu gleich, so wie er. Aber er wurde sich immer mehr klar, dass es bei Mia nie ein Sub geben würde, vor allem kein Sexuelles. Mit ihr befreundet zu sein bedeutete, dass sie den Ton angab und bestimmte, was wann geschah. Und wenn sie etwas wollte, dann stellte sie nicht die Frage, ob ein anderer da anders drüber dachte. Sie zog es einfach durch. Genauso wie gerade, wo sie einfach in diesen Klub gehüpft war und unbeschadet wieder daraus auftauchte.
„Wie bist du nur darauf gekommen, so etwas zu tun.“
„Das war ein Job für meine Freundin.“
Das war das nächste, was Sakute verwunderte. Ihre „Freundin“ war der Boss von über 20 Rockern, die seit einer Woche in dem Hotel wohnten, wo auch Mia mit ihren Freundinnen gewohnt hatte, bis diese alle zwei Tagen vor der Ankunft des MC nach Hause fuhren. Sie war geblieben. Sie hatte alle Rocker mit Namen gekannt, als er sich durch die misstrauischen Kerle durch das Hotel zwängte. Sie hatte jeden von ihnen angepflaumt, wenn er nicht für ihn beiseite trat. Nein, Mia würde nie auch nur im Traum daran denken, für ihn die Sub zu spielen. Das entsprach einfach nicht ihrer Natur.
Mia kletterte über die Sitze nach vorne und setzte sich auf den Beifahrersitz. Sie sah mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck zu ihm herüber. Dann schien sie einen Entschluss zu fassen.
„Ich soll dich fragen, ob du Lust auf einen neuen Job hast.“
„Einen neuen Job? Was soll ich den tun?“
„Das gleiche wie jetzt, nur nicht für die Taxizentrale sondern direkt für uns.“
„Und wer genau ist uns?“
„Dein Arbeitgeber wäre die Little Angel AG aus Köln. Wir wollen dich als Fahrer und als Ortskundigen.“
„Wir?“
„Ich habe Anteile an der Firma, das haben viele von uns.“
„Freja und Leonie auch?“
„Bei Freja bin ich mir da nicht ganz sicher, aber Leoni bin ich ganz sicher. Die hat im Wirtschaftsunterricht besser aufgepasst.“
„Und was macht die Little Angel AG?“
„Sie betreibt Bordelle.“
Sakute hätte vor Schreck beinahe einen Unfall gebaut. Er schaffte es nur mit Mühe, das Auto am Rand zu parken. Er schaute zu Mia rüber und sah da wieder nur ernste Aufrichtigkeit. Also war es wahr. Und nochmal traf es ihn hart, als er sich der ganzen Konsequenz und der Logik des Satzes klar wurde.
„Das Little Angel hat dabei eine besondere Bedeutung, nehme ich an.“
„Das ist richtig.“
„Warst du auch schonmal….“
„In einem der Läden? Ja. Habe ich darin mit einem Mann intimen Verkehr? Ja, hatte ich. Anders als du gerade denkst, aber das macht es nicht besser. Sind alle Mädchen in den Bordellen jung? Ja und das ist gewollt. Aber sie sind nicht zu jung, so wie manche auf der Straße. Was sollst du tun? Du sollst Überführungsfahrten machen. Vom Flughafen und Bahnhof zum Puff oder zu anderen Orten. Und du sollst den Mädchen, die hier arbeiten, die Stadt zeigen, wenn sie nicht im Dienst sind.“
„Ich soll also Zuhälter für euch werden.“
Mia lachte: „Das würde ich an deiner Stelle nicht versuchen. Es könnten deine bösesten Träume wahr werden.“
Etwas ruhiger dann fuhr sie fort: „Nein, die Mädchen sind selbstbewusste junge Frauen, die wissen, was sie wollen. Wir lassen keine anderen an einem neuen Standort zu.“
„Und deshalb warst du bei den Russen? Weil ihr einen neuen Standort eröffnen wollt?“
„Ja. Man muss sich ja vorstellen, bevor man jemand auf die Füße tritt. Vor allem wenn man nicht beabsichtigt, genau das zu tun.“
„Das bedeutet, dass ich bei einem i*****len Unternehmen mitmachen soll?“
„Nein Sakute, dass heißt das nicht. Wir sind legaler als alle anderen. Allerdings sind wir dadurch auch sehr teuer. Und aus diesem Grund suchen wir zuverlässige Mitarbeiter. Und ich finde, ein Student der Rechtswissenschaft kann man an Zuverlässigkeit nicht mehr überbieten.“
„Du weißt, dass ich Jura studiere?“
„Ich bin auch auf der Uni, schon vergessen? Auch wenn du dich in der Mensa und in der Bibliothek hauptsächlich hinter deinen Büchern versteckst, heißt das nicht, dass dich andere nicht sehen können.“
„Wie lange Zeit habe ich mich zu entscheiden?“
„Eine Woche, dann muss ich nach Hause.“
„Ich werde es mir überlegen“, versprach Sakute.
Ivan Patrenkow fand den Ort passend gewählt. Hier konnte er mit seinem vom Boxen gestählten Körper eine gute Figur und Eindruck erwecken. An der Tür wurde klar, dass die Rocker den ganzen Club gemietet hatten. Das musste ordentlich ins Geld gegangen sein, denn jetzt in den Sommermonaten war der Club eigentlich immer ausgebucht. Innen drin wurde er nach der Gaderobe zum Pool geführt, wo einige Rocker, das Mädchen mit den schwarzen Locken und eine ältere Blonde auf den Liegen lagen. Neben der Blonden war eine Liege frei. Im Hintergrund liefen einige Mädchen herum, die wie die Clubeigene Bedienung aussahen und Getränke sortierten.
Patrenkow ging zu der Liege und legte sich hin. Es dauerte etwas, bevor die Blonde ihn Ansprach.
„Schön, dass sie es einrichten konnten, zu uns zu kommen“, sagte Natascha. „Was möchten sie trinken. Die haben hier Absolut, aber ich denke, dass ihnen ein Beluga mehr zusagt, habe ich recht?“
Die waren wirklich gut. Kaum einem war bekannt, dass er sich den Beluga direkt aus der Destille liefern ließ. Er bekam immer ganz besondere Flaschen. Sein Emblem war silbern. Als er sein Glas erhielt, starte er auf das silberne Logo auf diesem.
„Entschuldigung“, sagte Natascha, als sie seinen erstarrten Gesichtsausdruck sah. „Wir wollten ihnen damit eigentlich eine Freude bereiten.“
„Woher wissen sie, was ich trinke?“
„Das wissen sie von mir. Sie hatten so ein Glas auf dem Tisch stehen“, sagte das Mädchen mit den schwarzen Locken, dass nun mehr trug als gestern.
„Mia. Verrat doch nicht alles“, stutzte Natascha sie zurecht. „Entschuldigen sie die Kleine, sie ist noch jung. Es war ihre Idee, ihnen ihren Vodka zu besorgen, um die Stimmung aufzulockern. Sie hat gestern die ganze Nacht danach gegoogled und hat dann solange auf ihren Importeur eingeredet, bis der genervt eine Flasche herausrückte. Und das Glas. Und du bekommst trotzdem nichts davon.“
Patrenkow drehte das Glas in seiner Hand hin und her. Er musste mit seinem Lieferanten mal ein ernstes Wort zum Thema Diskretion reden. Von einem 15 jährigen Mädchen überredet zu werden war nicht sehr vertrauenserweckend. Aber er zollte dieser Gruppe Respekt. Soviel Mühe würde man sich nicht machen, wenn da nicht auch etwas für ihn bei raussprang, was immer diese Rocker auch von ihm wollten.
„Was kann ich für sie tun?“
„Wir eröffnen in Berlin ein Bordell.“
„Noch eins? Berlin ist voll von Bordellen und Nutten. Warum kommen sie damit zu mir?“
„Wir eröffnen eines mit sehr jungen Mädchen.“
Patrenkow schaute zu Mia herüber.
„Nein, nicht so jung, jedenfalls nicht in real. Wir geben aber dem Kunden die Illusion, dass sie Mädchen so jung sein könnten.“
„Okay, was wollen sie von mir? Mädchen in diesem Alter biete ich nicht an. Schutz, denke ich, werden sie auch nicht wollen. Was ist es dann?“
„Wir möchten, dass sie uns nicht in die Quere kommen, wenn wir die Läden zerlegen, wo es Mädchen gibt, die zu jung sind. Und wir beabsichtigen kein Schutzgeld an sie zu bezahlen.“
„Warum bin ich dann hier?“
„Weil wir sie darüber in Kenntnis setzen wollen.“
„Und was habe ich dann davon, dass sie herkommen und in meiner Stadt ein Bordell eröffnen?“
„Weniger Konkurrenz.“
„Das soll doch wohl ein Witz sein.“
Natascha richtete sich auf und schaute ihn an.
„Nein, dass ist kein Witz. Wir wollen soviel junge Menschen wie möglich von der Straße und von hier weg holen. Jeden, den wir kriegen können und der noch zu retten ist. Diese ganzen kleinen Nutten von den Loverboys und Menschenhändlern, die hier seit Jahren die Preise auf dieses unverschämte Maß drücken. Wenn es weniger gibt, werden die Preise wieder steigen. Und das ist dann gut auch für deine Mädchen.“
„Und was wollt ihr mit denen?“
„Wir schicken sie auf eine Schule.“
„Das ist wieder ein Witz.“
„Nein, dass ist keiner.“
„War sie auf dieser Schule?“ Patrenkow zeigte auf Mia.
„Ja, zwei Jahre. Sie hat dort in diesem Sommer Abitur gemacht.“
„Und sie war vorher auf der Straße.“
„Nein, wir konnten sie retten, bevor das passierte. So viel Glück haben wir aber selten.“
„Was ist mit meinen Mädchen?“
„Du hast unter achtzehnjährige direkt aus der Schule geholt und sie unter Gewaltandrohung oder durch Vorspielung falscher Tatsachen auf den Strich gezwungen?“
„Ich habe sie nett überredet.“
„Wenn sie nicht glücklich sind, können sie auch zu uns kommen. Aber sie würden dann für ein Jahr alles verlassen, was sie kennen. Und es gibt kein zurück.“
„Es sei denn in eure Bordelle?“
„Es wird hier in Berlin nur eines geben. Ein Ort als Zuflucht für die, die fliehen wollen.“
„Okay.“
„Okay was, Ivan Patrenkow?“
„Okay. Ich gehe auf den Deal ein. Ihr könnt euer Bordell in meiner Stadt errichten. Nur eine Bedingung habe ich. Ich werde euch welche von meinen Mädchen schicken.“
„Zu unseren Konditionen.“
„Was heißt das?“
„Unsere Mädchen sind Angestellte. Sie zahlen Steuern, sind Krankenversichert und ärztlich rundum versorgt.“
Ivan Patrenkow schaute sie verwirrt an.
„Das sind doch nur Frauen.“
„Aber ich doch auch, meiner lieber Ivan. Aber das sind die Konditionen. Das oder garnichts.“
„Okay, wenn du glaubst, dass ihr damit was verdient.“
„Das ist ja nicht unser Ziel.“
Ivan Patrenkow schüttelte den Kopf und sah in sein Glas, von dem er noch nicht getrunken hatte. Er setzte es an die Lippen und trank es in einem Zug leer. Danach warf er es nach hinten, wo es mit einem Gluck im Pool verschwand.
„Soll Glück bringen“, sagte er.
Eine Woche später standen die Rocker auf dem Gelände einer ehemaligen Eisfabrik mitten in Berlin. Das Gelände schrie förmlich nach einer Abrissbirne.
„Wir haben es echt mit Ruinen, oder?“ fragte Henry.
„Sie sind billig, vor allem wenn man sie einer unwilligen Behörde aus der Schulter leiern kann.“
„Warum, was habt ihr denen versprochen?“
„Das wir hier eine Kultur und Theaterstätte errichten“, grinste Natascha.
„Mit Nackttänzerinnen an Stangen und Lustspielen in Separees?“
„Warum nicht? Dazu noch Platz für eine Großraumdisko. Ist doch alles Schick.“
„Großraumdisko…!? Wenn hier Techno gespielt wird, bin ich sofort weg“, sagte Henry.
„Nein, aber ein bisschen Rock and Roll kann der Hauptstadt auch gut tun. Findest du nicht?“ grinste Natascha. „Wo ist eigentlich Mia?“
„Die hat heute ihren letzten Abend mit unserem neuen Fahrer.“
Mia stolperte mit verbundenen Augen durch ihr unbekannte Räume und fragte sich, auf was sie sich da eingelassen hatte. Warum wollte sie nochmal mit Sakute den Abend verbringen? Er hatte sich das verdient. Und sie hatte sich bereit erklärt, ihm die Führung zu überlassen. Und das hatte sie nun davon. Der Sadist in ihm, der sie nicht schlagen durfte, hatte wohl gerade diebische Freude daran, sie vor Tische, Stühle oder sonstige scharfe Kanten laufen zu lassen.
„Wehe ich behalte was zurück. Ich bin das nächste mal dran. Ich zahle dir das so was von heim“, sagte sie. Sakute lachte.
Sakute hatte sie vorher mit seinem neuen Dienstfahrzeug abgeholt, einem schwarzen SL mit getönten Scheiben und dem Schullogo auf der Motorhaube in Schwarz und Weiß, und hatte ihr eine Augenbinde gegeben und gefragt, vertraust du mir? Dann war er mit ihr eine Stunden durch die Stadt gefahren oder sonst wohin. Als sie ausgestiegen waren, hatte er sie in etwas geführt, was sehr gehallt hatte und wo er sie nur durch Anweisungen geführt hatte. Wegen der Geräuschkulisse von Menschen im Hintergrund vermutete sie ein schlecht besuchtes Einkaufszentrum. Die Rolltreppe, in die er sie hinein laufen ließ und in der sie auf die Knie gefallen war und sich wer weiß was aufgeschlagen hatte, schien ihre Vermutung zu bestätigen.
Hier sollten sie es tun? Vor all den Menschen? Aber Sakute hatte ihren wunden Punkt erwischt, oder jemand hatte ihn ihm verraten.
„Traust du dich nicht?“
Der Satz – wie eine Herausforderung, bei der sie nicht „Nein“ sagen konnte. Der Satz, der sie ursprünglich zu einem Zuhälter ins Auto geführt hatte, als ihr ein viel zu alter Junge eine Spritztour anbot. Am Ende war immer alles mehr oder weniger gut gegangen. Aber normal sah anders aus. Normal wäre in diesem Alter der erste Freund statt der zweite unmögliche Liebhaber gewesen. Emotionen statt Sexspiele. Das hatte Sakute auch schon bemerkt. Mia war so verkopft, auch beim Sex, dass sie sich Emotional nicht auf ihn einließ. So waren alle ihre derzeitigen Begegnungen der Gestalt gewesen, dass sie beide es einfach nur wild getrieben hatten und zwar so, wie sie das haben wollte. Heute Abend war er es, der die Situation stellte.
Mia war sich in der Zwischenzeit mit dem Einkaufszentrum nicht mehr sicher. Sie war in etwas gelaufen, was sich nach Stuhlreihen anfühlte. Sind wir bald da, dachte sie. Sie hatte versprochen, nichts zu sagen. Ein virtueller Gagball. Auf einen echten wäre sie nicht eingegangen. Das automatische Sabbern mit so einem Ding im Mund fand sie voll upturnent. Da kam das erlösende „Bleib stehen“. Sie waren sie wohl am Ziel angekommen. Nur wo waren sie? Sie hörte noch immer Stimmen. Gedämpft, aber sie waren da, und es waren einige.
„Zieh dich aus.“
Sie sollte sich hier ausziehen? Vor anderen Menschen? Okay, das hatte sie vor etwas weniger als einem Jahr zuletzt im Bordell in Frankfurt getan, aber da war sie Herrin der Lage. Hier war sie es nicht. Aber wenn sie sich weigerte und er zog sie aus, würde sie noch mehr Selbstbestimmung verlieren.
So tat sie, was er verlangte. Mit den nun nackten Füßen bemerkte sie, dass sie auf Teppich stand. Merkwürdig aber okay. Sie faltete trotzdem alles sorgfältig zusammen und legte es vor sich auf einen Haufen. Sie bemerkte, dass der Raum vor ihr zu Enden zu sein schien.
„Spreize die Beine.“
Sie tat es und spürte, wie er Bänder aus Stoff darum legte. Er nahm nun auch ihre Arme und belegte sie so. Sie spürte, dass sie sich jeder Zeit befreien könnte, tat es aber nicht. Sie war neugierig, was er mit ihr vorhatte. Diese Neugier machte sie geil. Er trat hinter Sie und legte seine Hände auf ihre Brüste langsam knetete er sie, zupfte an ihren Knospen und zog sie lang. Schnippte mit den Fingern dagegen, sanft, weil sie nicht auf den Schmerz stand und er es respektierte. Seine Finger fuhren ihren Bauch hinunter und auf ihre Schenkel und innen wieder hoch. Er fuhr über die Sehne, die sich in der Lage dort spannte, ließ jedoch ihre Scham aus. Das war ungemein erregend. Vorallem als er es mit der anderen Hand auf der anderen Seite wiederholte. Wenn sie sich nicht hier für ihn ergeben würde, sie hätte sich schon längst befreit und wäre über ihn hergefallen. Aber noch hielt sie sich an ihre Rolle und genoss das Spiel.
Sakute trat kurz von ihr zurück, nur um mit stehendem Glied zurück zukehren. Sanft fuhr er damit unter ihr durch den Schritt. Sie bemerkte sofort ihre Erregung, die er auf diese Art verteilte. Mit einem bestimmenden Druck deutete er an, sie solle sich vorbeugen und sie ging für ihn ins Hohlkreuz. Ihre Arme waren nun so gestreckt, als wollte sie fliegen.
„Flieg hoch, mein Vögelchen“ sagte er und stieß sein Glied in sie.
Sie fand es geil. Sie stellte sich vor, auf der Bühne des Bordelle zustehen und die Männer saßen vor ihr, wissend, dass sie sie nie näher heran lassen würde als wie in diesem Moment. All ihre Lust und ihr Leidenschaft gab sie nur ihrem Stecher. Das erregte sie ungemein. Das Murmeln der fernen Leute verstärkte ihre Illusion und seine Hände an ihren Hüften, der sie auf ihn presste. Einfach genial.
Sie drückte sich für ihn noch mehr durch, damit er auch schön tief stieß und spürte, wie es ihre Erregung immer mehr steigerte und als sie merkte, wie sie kurz vor dem Orgasmus war, löste er das Tuch vor ihren Augen.
Keine zwei Meter vor ihr stand ein Mann um die sechzig im Anzug und mit einem Sektglas in der Hand. Er sah über sie hinweg. Mia war zu erregt, um noch zurück zu können, aber der Schock des Anblickes verzögerte ihn noch einige Sekunden. Und als sie keuchend vor seinen Augen kam, machte er etwas merkwürdiges. Er leckte seinen Finger an und strich seine Augenbraue glatt. Dann richtete er seine Krawatte, drehte sich um und ging zu anderen Gästen, die lose verteilt in einer großen Halle mit Partystehtischen und einer Leinwand verteilt standen und sich angeregt unterhielten. Von ihr nahm niemand Notiz.
Sie löste sich aus ihren Armfesseln und verlor wegen der Fussfesseln das Gleichgewicht nach vorne. Ihre nach vorne gestreckte Hand stieß dabei auf Glas. Das entstehende Geräusch ließ einige Gäste die Köpfe drehen, aber sie schauten ohne eine weitere Regung wieder weg. Sakute hob sie wieder an, in dem er mit der Hand zwischen ihren Brüsten ihren Hals umfasste und den Oberkörper hochzog.
„Warte. Ich befreie dich ganz“, sagte er und bückte sich, um ihre Beine zu befreien. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass sie in eine Art Warteraum stand. Und dahinter waren große Bodentiefe Fenster, die den Ausblick auf einen Flughafen gewährten. Einen leeren Flughafen. Jetzt wusste sie wo sie war. Aber sie wusste noch immer nicht, warum keiner von ihnen Notiz genommen hatte.
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