Fortsetzung vom Teil 3:
Nach etwa zehn Minuten kam ein weiterer Gast, als der Barkeeper Simon zurief, dass der Geschäftsführer da sei und ihn empfangen wolle.
Er geleitete Simon durch eine Tür (ca. drei Meter neben den Toilettentüren mit der Aufschrift „Caballeros“, wie im Süden die WCs oft bezeichnet werden), auf der „Private“ stand und nur einen festen Türknopf hatte. Der Barkeeper klopfte an, und von innen wurde aufgetan. Zuerst war Simon frappiert, dass ihm ein zwar relativ hellhäutiger, aber doch immerhin ganz eindeutig ein Farbiger mit vielleicht einem Schuss indianischen Blutes die Türe öffnete.
„Hi, come in,“ sagte der massiv gebaute, ca. 1.90 m große Farbige. „Ich bin der Geschäftsführer, nehmen Sie Platz. Mein Name ist Prescott, Henry Prescott, und wie heißen Sie?“
„Äh Simon, Simon Fellini, Sir!“
„Italiener?” Prescott hatte den fremdartigen Akzent bemerkt.
„Nein Sir, meine Vorfahren waren Italiener, ich bin Mexikaner!“ gestand Simon.
„Mexikaner, aha!“ antwortete der Farbige nachdenklich. Sofort schaltete er auf einen etwas geringschätzigen Ton um: „US-Staatsbürger oder i*****l hier? Wie alt bist du denn?“
Simon log nur ungern. Er war eine naive, treuherzige Seele, die schnell ins Bockshorn zu jagen war. Also nahm er sich ein Herz und sagte mit fester Stimme: „Stimmt Sir, ich bin nicht legal hier, gestern habe ich rüber-gemacht. In sechs Wochen werde ich achtzehn, Sir. Bitte verraten Sie mich nicht bei der Einwanderungsbehörde. Ich bin fleißig, gesund und möchte gerne hier eine Arbeit annehmen, was es auch ist! Wohnung hätte ich auch schon, wenn Sie mich anstellen. Ich bin Ihnen stets dankbar und loyal!“
„Hm, bist du dir darüber klar, dass es für mich auch ein erhebliches Risiko ist, dich hier schwarz zu beschäftigen? Aber ich will dir helfen, vielleicht findest du jemanden in unserem Club oder sonst wo, der dich auf längere Sicht unter seine schützenden Fittiche nimmt. Also ich könnte im Club einen Hausburschen brauchen, der nach der Sauberkeit der Toiletten guckt, solange die Gäste da sind, sie am nächsten Morgen sauber putzt und etwas Ordnung schafft und was sonst so alles anfällt. Nur pingelig oder ein Moralapostel darfst du hier nicht sein! Wir haben hier ein spezielles Publikum, und die erwarten erstens Diskretion und zweitens keine Bediensteten, die gleich >Mordio< brüllen, wenn hier mal etwas Blut fließt oder ein Master seinen Sklaven etwas hart hernimmt. Sieh dir, wenn du nicht sicher bist, was ich meine, die Bilder draußen an den Wänden an, dann verstehst du."
„Habe ich mir schon angesehen, Sir! Ich bin kein Sensibelchen, und solange ich nicht mitmachen muss, macht mir das nichts aus. Was kann ich denn bei Ihnen verdienen?“
„Nun ja, reich wirst du hier nicht als i*****ler, das sag’ ich dir gleich,“ grinste Mr. Prescott, „aber mit zweihundert Bucks (=Mäuse) kannst du schon rechnen, und hie und da fällt sicher auch mal ein Trinkgeld ab, wenn du dich nicht blöde oder pingelig anstellst!“
Simon schluckte und machte ein enttäuschtes Gesicht: „Zweihundert Dollar im Monat?“
„Oh Gott, ein ahnungsloser Mexxo,“ lachte Prescott etwas spöttisch, „natürlich pro Woche, Boy, bei uns wird immer pro Woche bezahlt. Dafür kannst du aber auch innerhalb einer Woche gefeuert werden, wenn du nichts taugst. Geld in bar natürlich, denn ich kann den Lohn ja nicht durch die Bücher laufen lassen. Wärst du legal beschäftigt, könntest du glatt 300 Bucks pro Woche kriegen!“
Simon machte innerlich einen Luftsprung vor Freude. Hoffentlich war die Wohnung bei der alten Lady noch nicht vergeben!
„Klingt nicht schlecht, Sir, Wann kann ich anfangen?“
„Ich muss noch mit dem Besitzer sprechen, Falls der zustimmt, gleich morgen um sechs abends.“
„Thank you, Sir. Ich komme, muss aber noch meine Miete bezahlen. Kann ich vielleicht einen Vorschuss haben?“
Prescott war ein vorsichtiger Mensch, aber der junge Mann war ihm sympathisch und machte einen ehrlichen Eindruck: „Ich denke, das biege ich mit dem Besitzer hin. Ich gebe dir mal einen Hunderter aus meiner Tasche. Enttäusche mich nicht und komm morgen auf jeden Fall.“
„Sie können sich hundertprozentig auf mich verlassen, Sir!“ Sagte Simon freudig und nahm die 100 $-Note entgegen. Er verabschiedete sich mit einem höflichen Diener und kräftigem Händedruck. Der Barkeeper erwartete ihn im Club und fragte: „Hat’s geklappt?“
„Ich bin zuversichtlich. Morgen könnte ich anfangen. Auf gute Zusammenarbeit!“
„Freut mich, ich bin der Charly. Wer bist du?
„Ich bin Simon. Ich muss gehen, hab’s eilig wegen einer Wohnung,“ verabschiedete sich Simon von Charly und stürmte aus der Bar.
Sofort ging er zu jenem Haus. Das Sc***d war immer noch draußen. Gott sei Dank! Er klopfte wieder und wurde von der älteren Lady hereingelassen.
„Und? Nehmen Sie es?“
„Gerne, ich kann Ihnen aber vorerst nur 80 $ für die ersten drei Tage bezahlen.“
„Okay, gib her! Aber nach drei Tagen möchte ich den Rest sehen, klar? Sonst bist du schneller wieder draußen, als du hereingekommen bist. Hast du kein Gepäck? Koffer oder so?“
„Äh, doch, aber sie sind noch bei der Gepäckaufbewahrung. muss sie erst noch abholen,“ log Simon notgedrungen. Erfreulicherweise gab sich die Vermieterin damit zufrieden. Er überreichte die Hundert-Dollar-Note, bekam 20 $ zurück und den Wohnungsschlüssel ausgehändigt. Er blieb gleich in der Wohnung und duschte ausgiebig, denn er kam sich vor, als stinke er drei Meter gegen den Wind. Danach kaufte er sich einen Hamburger und was zu trinken. Und ein Päckchen Einmal-Rasierer.
Kapitel 3 Der Club
Am nächsten Frau stand Simon spät auf. Statt Frühstück trank er den Rest der Coca-Cola von gestern Abend aus. Am Vormittag ging er zu der gestern entdeckten „Kredit-Bank“, um dort ein Konto zu eröffnen und den für amerikanische Verhältnisse kleinen Betrag auf dem Konto seiner Bank in Agua-Prieta nach Las Cruces transferieren zu lassen. Doch das erwies sich schwieriger als gedacht: Zuerst musste er mal hier ein laufendes Konto haben. Mindesteinzahlung 10 $. Er hatte aber mal gerade noch knapp sechs Dollar. Zweitens sollte er sich ausweisen, um das Konto zu legalisieren.
Er überlegte: Er konnte unmöglich Mr. Prescott bereits am ersten Arbeitstag schon wieder um einen Vorschuss bitten! Und seinen Personalausweis vorzuzeigen, der ihn als Mexikaner auswies und in jedem mitdenkenden Bankangestellten den Verdacht aufkommen ließ, dass er sich hier i*****l aufhalte, war ihm zu riskant. Also verließ er diese Bank und erinnerte sich dann an die Armenspeisung bei „Maria Virgina“. Dort musste es sicher was Warmes zu essen und vielleicht auch so was wie eine „second-hand“-Kleiderkammer geben.
Kurz vor dem Mittagsläuten begab er sich dorthin und wurde auch tatsächlich wieder von dem freundlichen Pater oder Frater hereingebeten. Es gab eine Art Linseneintopf mit Wurststücken, Tomatensalat und einen halben Apfel zum Nachtisch. Als Simon wieder die obligatorische „Bibellesung“ hatte über sich ergehen lassen, ging er zu dem freundlichen Frater hin und fragte ihn ganz vorsichtig und diskret, ob er nicht etwas zu anziehen bekommen könne, man habe ihm seinen Koffer mit den Wechselkleidern und allen Waschutensilien gestohlen.
„Warst du schon bei der Polizei und hast eine Anzeige gemacht?“ wollte Frater Aurelius wissen. Unsicher, was er antworten sollte, behauptete Simon: „Ja, habe ich, aber der Beamte hat mir gleich gesagt, ich solle mir keine zu große Hoffnung machen, dass man den Kerl erwischen und ich meine Sachen wieder zurückbekommen würde.“
Frater Aurelius glaubte ihm und sprach mit dem „Bibelprediger“. Der sah etwas abschätzig an Simon herunter, legte seine Stirn in Falten und sagte: „Eigentlich ist unsere Kleidersammelkammer für bedürftige Kinder und Familien gedacht und nicht für Herumstreuner oder Obdachlose, die unsere gespendeten Sachen nur verscherbeln und sich sofort Schnaps oder ‚Gras’ davon kaufen. Aber weil du dich so für ihn einsetzt, Aurelius, gehen wir mal nachsehen.“
Simon folgte den beiden Kirchenmännern in einen Kellerraum unter der Kirche, wo sich eine Kleiderkammer befand. Kleider über Kleider, gebraucht zwar, aber noch gut tragbar. Insgeheim ärgerte sich Simon, dass er nicht früher auf die Idee gekommen war, sondern rund 15 $ für ein Hemd und eine Hose ausgegeben hatte, die ihm in der Bank zupass gekommen wären.
Er durfte sich zwei Hosen und drei Hemden (davon sogar ein seidenes!) aussuchen; auch zwei Paar Socken fand er und eine schrille, völlig altmodische Krawatte.
Glücklich und zufrieden ging er heim. Dort fand er noch den Kassenbon seines Kleiderkaufs. Ihm kam eine Idee: Er nahm seine noch nicht ausgepackte Hose und das Hemd und ging mit dem Kassenbon in das „Woolworth-Kaufhaus“ zurück und bat bei den „Reklamationen“, ob er die Sachen zurückgeben könne, da sie seinem Bruder, für den er die Sachen gekauft habe, nicht gefielen bzw. zu eng seien. Die Verkäuferin zog zwar ein verächtliches Gesicht über jemanden, der wegen bloßen 15 $ solch ein Aufhebens mache, nahm aber die Sachen zurück gegen 10% Abzug als Bearbeitungsgebühr. Aber wenigstens hatte Simon jetzt wieder 13 $ mehr und mit dem alten Rest sogar rund 17 $.
Zur gleichen Bank wie heute Vormittag wollte Simon nicht zurück, deshalb erkor er sich die „Texas Ranchers’ Savings Bank“ als neue Versuchsbank.
Er eröffnete ein Sparkonto, zahlte 10 $ ein und wunderte sich, dass niemand ein Dokument zwecks Identifikation sehen wollte, sondern man die Angabe seines Namens, Wohnorts, Straße und Nr. und sein Geburtsdatum, das Simon fünf Wochen vordatiert hatte, um volljährig zu sein, ohne Überprüfung glaubte. Also merke: ‚Bank ist nicht gleich Bank!’ dachte Simon bei sich. Mit dem Transfer seiner Ersparnisse aus Mexiko ließ er sich aber noch einen Tag Zeit. Er hatte ja noch sechs Dollar.
Überpünktlich 15 Minuten vor der Öffnung des Clubs stand Simon schon vor der Eingangstür und wartete, dass der baumlange Neger die Pforte aufschloss. Der öffnete 3 Minuten vor 18 Uhr.
„Oh, hat dich der Boss doch angeheuert,“ grinste ihn der Neger leicht schnippisch an, „dann komm rein, ich zeige dir, was du machen kannst, bis der Chef kommt!“ Er deutete auf die als Tanzfläche missverstandene Bühne in der Mitte des etwa 80 qm großen Raumes, deren Spiegelfläche mit fettigen Hände- und Fußtapsen und auch mit einigen Blutflecken versaut war.
„Ich zeige dir, wo der Eimer mit dem Schrubber und den Scheuermitteln steht,“ erklärte ihm der schwarze Türsteher, ging in den Vorraum zur Toilette (es gab nur eine Herrentoilette) und zeigte Simon das Arbeitsgerät. Während der Neger, der übrigens Moses hieß, die Stühle und Cocktailtische zurechtrückte und in Reih’ und Glied ausrichtete, schnappte sich Simon Putzlappen und Eimer samt Scheuermittel und Schrubber. Er begann die Minibühne zur reinigen, was sich wegen der eingetrockneten Blutflecken als gar nicht so einfach erwies. Aber Simon wollte gründlich sein und ruhte nicht eher, als bis der spiegelnde Bühnenboden funkelte wie neu!
Das hatte bis kurz nach sieben gedauert, als plötzlich der Geschäftsführer erschien, als Simon noch den letzten „Schliff“ anlegte.
„Great job,“ lobte Mr. Prescott, „schön, dass du gekommen bist. Der Besitzer ist mit deiner Anstellung einverstanden.“ Dann besah sich Prescoott Simons perfekte Arbeit an der Bühne.
Fortsetzung folgt
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