Autor:
Giacomo Girolamo Casanova
Chevalier de Seingalt
Während meiner langen Wüstlingslaufbahn hat mein unbesieglicher Hang zum weiblichen Geschlecht mich dazu getrieben, alle Künste der Verführung anzuwenden. Ich habe etlichen hundert Frauen, deren Reize meine Vernunft überwältigt hatten, den Kopf verdreht. Die besten Erfolge aber habe ich beständig dadurch erzielt, daß ich Neulinge, deren moralische Grundsätze und Vorurteile dem Gelingen meiner Absichten hinderlich waren, nur in Gesellschaft einer anderen Frau angriff. Ich wußte bereits in jungen Jahren, daß ein Mädchen sich zwar verführen läßt, eben weil es ihm an Mut fehlt; wenn sie dagegen mit einer Freundin zusammen ist, so ergibt sie sich ziemlich leicht: jede Schwachheit der einen veranlaßt den Fall der andern. Väter und Mütter glauben das Gegenteil; aber sie haben unrecht. Sie weigern sich gewöhnlich, einem jungen Mann ihre Tochter anzuvertrauen, um sie auf einen Ball zu führen oder mit ihr einen Spaziergang zu machen. Sie geben jedoch nach, wenn das junge Mädchen eine ihrer Freundinnen zur Obhut hat. Ich wiederhole ihnen: sie haben unrecht; denn wenn der junge Mann es richtig anzufangen weiß, ist ihre Tochter verloren. Ihre falsche Scham hält alle beide ab, der Verführung einen unerschütterlichen Widerstand zu leisten; sobald aber der erste Schritt einmal getan ist, ist der Sturz unvermeidlich und ungeheuer schnell. Sobald die Freundin sich die geringste Gunst entreißen läßt, wird sie, um nicht erröten zu müssen, die erste sein, die ihre Freundin dazu antreibt, eine größere Gunst zu gewähren; und wenn der Verführer geschickt ist, wird die Unschuldige, ohne eine Ahnung zu haben, zu weit gegangen sein, um noch zurück zu können. Je unschuldiger übrigens ein junges Mädchen ist, desto weniger weiß sie von den Wegen und der Absicht der Verführung. Ihr völlig unbewußt, zieht der Reiz eines Vergnügens sie an, die Neugier mischt sich hinein, und die Gelegenheit tut das übrige.
Es ist zum Beispiel wohl möglich, daß es mir ohne Helene gelungen sein würde, die gelehrte Hedwig zu verführen; aber ich bin überzeugt, daß ich mit Helene niemals fertig geworden wäre, wenn diese nicht gesehen hätte, daß ihre Base mir Freiheiten gewährte und sich selber Freiheiten mit mir herausnahm, die nach der Ansicht der beiden Mädchen zweifellos gegen die Schamhaftigkeit eines wohlerzogenen Fräuleins und gegen alle Anstandsbegriffe verstießen.
Ohne meine Liebesabenteuer im geringsten zu bereuen, wünsche ich doch durchaus nicht, daß mein Beispiel dazu dienen könnte, das schöne Geschlecht zu verderben, das aus so vielen Gründen unsere Huldigungen verdient. Ich wünsche lediglich, daß meine Beobachtungen vorsichtigen Vätern und Müttern nützlich sein und mir dadurch zum mindesten deren Achtung eintragen können.
Kurz nach dem Fortgehen des Pastors hörte ich dreimal leicht an die Tür meines Verstecks klopfen. Ich öffnete, und eine atlasweiche Hand ergriff die meinige. Alle meine Nerven erbebten. Es war Helenens Hand; sie hatte mich elektrisiert, und dieser Augenblick des Glücks war schon Lohn genug für mein langes Warten.
»Folgen Sie mir leise!« flüsterte sie, sobald sie die kleine Tür wieder verschlossen hatte. Aber in meiner glücklichen Ungeduld schloß ich sie zärtlich in meine Arme, und ich ließ sie die Wirkung fühlen, die ihre bloße Gegenwart auf mich ausgeübt hatte, und vergewisserte mich zugleich ihrer vollständigen Fügsamkeit.
»Seien Sie vernünftig, lieber Freund!« flüsterte sie; »wir müssen sachte nach oben gehen.« Ich folgte ihr, um mich herum tastend, und am Ende eines langen Ganges führte sie mich in ein unbeleuchtetes Zimmer, dessen Tür sie hinter uns verschloß; hierauf öffnete sie ein anderes Zimmer, worin Licht war. Ich sah darin Hedwig, die beinahe schon ausgekleidet war. Sie kam mit offenen Armen auf mich zu, sobald sie mich sah, umarmte mich voller Glut und dankte mir auf das herzlichste daß ich in einem so traurigen Loch so geduldig ausgehalten hätte.
»Meine göttliche Hedwig,« sagte ich zu ihr, »wenn ich Sie nicht rasend geliebt hätte, wäre ich keine Viertelstunde in dem Versteck geblieben; aber Sie brauchen nur zu befehlen, und ich bringe jeden Tag, den ich noch hier in Genf verweile, vier Stunden darin zu. Aber lassen Sie uns keine Zeit verlieren, liebe Freundinnen! Gehen wir zu Bett!«
»Geht nur beide zu Bett,« sagte Helene; »ich werde die Nacht auf dem Kanapee zubringen.«
»Oh, das gibt es nicht,« rief Hedwig, »daran ist nicht zu denken, unser Los muß vollkommen gleich sein.«
»Ja, göttliche Helene, ja!« rief ich, indem ich auf sie zueilte und sie umarmte, »ich liebe euch beide gleich sehr. Alle diese Förmlichkeiten dienen nur dazu, uns eine kostbare Zeit verlieren zu lassen, während welcher ich euch meine glühende Zärtlichkeit beweisen könnte. Macht es wie ich! Ich werde mich ausziehen und in die Mitte des Bettes legen. Kommt schnell an meine Seiten! Ihr werdet sehen, ob ich euch liebe, wie ihr geliebt zu werden verdient. Wenn wir hier sicher sind, so werde ich euch Gesellschaft leisten, bis ihr mir sagt, daß ich gehen muß; aber ich bitte euch: Löscht das Licht nicht aus!«
Während ich mit der gelehrten Theologin über die Schamhaftigkeit philosophierte, war ich im Handumdrehen ausgezogen und bot mich ihren Augen nackt wie Adam dar. Hedwig errötete, aber sie fürchtete vielleicht, daß eine größere Zurückhaltung mir einen schlechten Begriff von ihr geben würde, und ließ die letzte Hülle der Scham fallen, indem sie das Wort des heiligen Klemens von Alexandria zitierte, daß die Scham nur im Hemde liegt. Ich pries laut ihre Schönheiten und die Vollendung ihrer Formen, um dadurch Helenen zu ermutigen, die sich langsam auskleidete. Als ihr aber Hedwig ihre falsche Scham vorwarf, wirkte dieses mehr als alle meine Lobreden. Endlich war diese Venus im Naturzustande; sie wußte nicht, wo sie mit ihren Händen hin sollte, und bedeckte mit der einen einen Teil ihrer geheimsten Reize, mit der anderen ihre Brust; daß sie nicht alles verbergen konnte, schien sie bestürzt zu machen. Ihre schamhafte Verlegenheit, dieser Kampf zwischen erliegender Scham und Wollust entzückte mich.
Hedwig war größer als Helene, ihre Haut weißer und ihr Busen doppelt so stark; aber Helenens Schönheit war inniger beseelt, ihre Formen waren lieblicher und ihr Busen glich dem der Venus von Medici.
Als sie durch das Beispiel ihrer Base allmählich mutiger geworden war, verbrachten wir einige Augenblicke damit, uns gegenseitig zu bewundern; dann legten wir uns zu Bett. Die Natur sprach gebieterisch, und wir mußten ihrem Rufe folgen. Nachdem ich mich mit einem Sicherheitskäppchen versehen hatte, dessen Zerplatzen ich nicht zu befürchten brauchte, machte ich Hedwig zur Frau. Als das Opfer vollzogen war, bedeckte sie mich mit Küssen und sagte, der Augenblick des Schmerzes sei nichts im Vergleich mit dem Genuß.
Helene, die sechs Jahre jünger war als Hedwig, kam bald an die Reihe. Das schönste Vlies, das ich jemals gesehen habe, war ein wenig hinderlich; sie strich es mit ihren beiden Händen zur Seite. Eifersüchtig auf die Erfolge ihrer Base, stieß sie nur Seufzer des Glückes aus, obgleich sie nicht ohne eine schmerzhafte Gewaltanstrengung in das Geheimnis der Liebe eingeweiht werden konnte; sie erwiderte alle meine Anstrengungen und schien an Zärtlichkeit und Glut mit mir wetteifern zu wollen. Die Bewegungen des schönen Mädchens kürzten das süße Opfer ab, und als ich das Heiligtum verließ, sahen meine beiden Schönen, daß ich der Ruhe bedurfte.
Der Altar wurde vom Blute der Opfer gesäubert; hierauf wurde eine gemeinsame Abspülung vorgenommen, wobei wir uns mit Freuden gegenseitig bedienten.
Unter ihren eifrigen und neugierigen Händen erwachte ich zu neuem Leben, und dieser Anblick erfüllte sie mit Freude. Ich sagte ihnen, ich müßte unbedingt während der Zeit, die ich noch in Genf verbringen würde, dieses Glück recht oft genießen; aber sie antworteten mir seufzend, dies sei unmöglich.
»In fünf oder sechs Tagen können wir uns vielleicht wieder ein solches Fest verschaffen, das wird aber auch alles sein.«
»Laden Sie uns,« sagte Hedwig, »morgen zum Abendessen in Ihren Gasthof ein, vielleicht bietet der Zufall uns Gelegenheit, einen süßen Raub zu begehen.«
Ich nahm diesen Rat an.
Wir fingen wieder an. Da ich meine Natur kannte und sie nach Belieben täuschen konnte, machte ich sie mehrere Stunden lang glücklich, indem ich fünf- oder sechsmal von der einen zur andern ging, bevor ich meine Kraft erschöpfte und auf den Höhepunkt des Genusses gelangte. Da ich sie gelehrig und genußbegierig sah, ließ ich sie in den Zwischenräumen die schwierigsten Stellungen des Aretino ausführen; dies ergötzte sie über alle Maßen. Alles, was wir bewunderten, überschütteten wir mit unsern Küssen; in einem Augenblick, wo Hedwig gerade ihre Lippen auf die Mündung des Pistols preßte, ging der Schuß los und überströmte ihr Gesicht und ihren Busen. Sie strahlte vor Freude darüber und betrachtete diesen Erguß, den die beiden Mädchen wunderbar fanden, mit dem Lerneifer einer Schülerin der Naturwissenschaften. Die Nacht erschien uns kurz, obgleich wir keine Minute verloren hatten; aber am Morgen mußten wir uns trennen, sobald der Tag anbrach. Ich ließ sie in ihrem Bett liegen, und es glückte mir, das Haus zu verlassen, ohne von einem Menschen gesehen zu werden.
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