Erster Brief
Liebe Freundin!
Mit deinem letzten Brief hast du mich ungewollt in die Tage meiner Jugend zurückversetzt. So will ich nun Deinem Drängen nachkommen. Ich werde Dir die ganze Wahrheit sc***dern. Von Anfang an. Du sollst miterleben, nein, Du sollst mit mir fühlen, wie sehr ich diesen Mann gehasst habe – damals! Und du sollst auch wissen, warum dieser Hass eines Tages in Dankbarkeit umschlagen konnte. Auch auf die Gefahr hin, dass du mich danach verurteilen wirst – ich werde nichts beschönigen und nichts verschweigen.
Verzeih mir auch, wenn ich gelegentlich auf mein Tagebuch zurückgreife und wörtlich wiedergebe, was mich damals bewegte. Du sollst meine Gefühle kennenlernen. Bis in die letzten Tiefen meiner Seele. Ich möchte, dass du mich verstehst. Mit jeder Minute mehr. Weil du meine beste Freundin bist.
In weniger als zwei Monaten bist du wieder in Freiheit sein. Bis dahin wirst du mein ganzes Leben kennen. All die Höhen und Tiefen. All meinen Schmerz und all mein Leid. Aber auch all die Freuden, die schönen Stunden, in denen ich…
Ich will offen sein, bis in die kleinste Begebenheit. Nun lass mich sc***dern, was das Schicksal mir bestimmte.
Du weißt, das mein Vater uns sehr früh verlassen hat.
Er hatte einer anderen den Vorzug gegeben. Heute kann ich ihn gut verstehen. Es war Mutters Schuld!
Du weißt, dass ich aus ärmlichen Verhältnissen stamme. Mutter war häufig krank. Eines Tages lernte sie diesen Typen kennen. Er wurde mein Stiefvater.
Von diesem Tage an war mein Weg vorgezeichnet. Das einzige, was er meiner Mutter und mir gab, war ein kleines Haus am Ortsrand eines Dorfes nahe der italienischen Grenze – nahe deiner Heimat. Er gab uns Unterkunft, aber er verlangte dafür sehr viel.
Mutter hatte immer für einen vollen Tisch zu sorgen, was gar nicht immer leicht war. Den eigentlichen Dank jedoch verlangte er von mir.
Er überstürzte nichts. Fast ein halbes Jahr lang beachtete er mich kaum. Erst allmählich begann er mich zu umgarnen. Ein weiteres halbes Jahr lang. Ich war fünfzehn, als wir zu ihm zogen. Und ich war sechzehn, als er zum ersten Mal seine wahren Absichten zeigte.
Mutter stellte sich taub. Sie wollte ihr neues Zuhause nicht wieder verlieren. Schweigend zahlte sie den Preis, den er forderte. Sie bezahlte mit ihrer Tochter. Sie billigte, was in den folgenden Wochen und Monaten mit mir geschah.
Damals, als wir zu ihm zogen, begann ich Tagebuch zu führen. Mein erster Eintrag lautete:
Mittwoch, 15. Mai
Ich mag ihn nicht. Er hat mich geschlagen. Deshalb hasse ich ihn!
Aber warum hasst Mutter ihn nicht auch? Ich höre sie in der Nacht oft weinen. Er schlägt ganz bestimmt auch sie.
Er ist nicht mein Vater. Mein richtiger Vater würde mich nie schlagen. Niemals!
Ich bin so traurig.
Das liebe Freundin, war mein erster Tagebucheintrag.
Und bereits vier Tage später schrieb ich:
Sonntag, 19. Mai
Ich hasse ihn immer mehr. Weil er auch Mutter schlägt. Vorher schimpft er sie. Er mag Mutters Essen nicht.
Heute Mittag hat er einen Teller zerschlagen. Er hat es absichtlich getan. Dann ist er fortgegangen. Mutter hat geweint. Er hat zu ihr gesagt, wir müssen wieder aus dem Haus.
Wir mussten nicht aus dem Haus. Der nächste Eintrag lautete:
Montag, 20 Mai
Als ich von der Schule nach Hause kam, war er wieder da. Er hat mir eine Schachtel Pralinen geschenkt. Ich habe sie weggeworfen. Da hat er mir eine Ohrfeige gegeben. Mutter hat nichts bemerkt.
An diesem Nachmittag hat er es mit ihr getrieben.
Von da an wurden meine Tagebuchaufzeichnungen spärlicher. Der Sommer kam. Die großen Ferien. Er fuhr in den Urlaub und ließ Mutter und mich allein zurück. Erst Monate später machte ich meinen nächsten Eintrag ins Tagebuch. Er zeigte die Wende. Wenn ich es damals auch noch nicht begriff.
Freitag, 18. Oktober
Am Sonntag waren wir im Hallenbad. Es war ganz nett. Mutter hat viel gelacht.
Mein Stiefvater hat mit mir rumgealbert. Er hat mich andauernd gekitzelt. Dann sind wir noch um die Wette geschwommen.
Ich mag ihn trotzdem nicht.
Nein, liebe Freundin, es war die Wende. Meine nächsten Aufzeichnungen verrieten einen deutlichen Stimmungswechsel. Schrieb ich anfänglich noch in mein Tagebuch:
Ich mag ihn trotzdem nicht!
So hieß es dort Tage später:
Vielleicht ist er doch ganz nett.
Natürlich bemerkte mein Stiefvater meinen Sinneswandel. Und er tat alles, um mich ganz für sich zu gewinnen.
Er warb um mich. Er warb um meine Gunst. Und ich verfiel ihm.
Wir gingen damals oft ins Hallenbad. Auch ohne Mutter, die es aber ganz gerne sah, dass wir uns so gut verstanden. Und er alberte von Mal zu Mal mehr mit mir herum. Er tauchte mich unter und schwamm mit mir um die Wette. Manchmal griff er mir sogar zwischen die Beine. Geschickt weckte er dabei den Anschein des Zufalls.
Doch ich durchschaute ihn sehr rasch.
Ich durchschaute ihn – und fand Gefallen daran. An seinem Spiel. Ich ließ ihn gewähren, auch wenn er den Po tätschelte oder unter Wasser die Brüste abgriff.
Ich war neugierig und fand es aufregend, dass er – gerade er – sich für mich interessierte. Deshalb ließ ich ihn gewähren. Es geschah auch immer nur kurz und flüchtig.
Nie drängend. Nie fordernd. Es kam mehr einem Forschen gleich, einem Festellenwollen….
All dies erkannte ich damals natürlich noch nicht in vollem Umfang. Ich fand es ganz einfach nur aufregend, dass seine Finger mich berührten und dass ich überall seine Hände spürte. Ich wusste auch schon, um den Reiz, den ich ihm damals verschaffen konnte und um die Spiele zwischen Mann und Frau.
Doch die Wirklichkeit war viel hässlicher, viel gemeiner. Ich erfuhr sie an einem regnerischen Nachmittag.
Wir waren wieder einmal im Hallenbad – ohne Mutter.
Ich belauschte ein Gespräch zwischen meinem Stiefvater und einem Mann, den ich nicht kannte. Die beiden flüsterten mit einander, während ich in der einzigen Umkleidekabine auf der Rückseite des Ganges saß und jedes Wort verstehen konnte. Durch den Spalt der nur angelehnten Kabinentür sah ich den Fremden nahe vor mir.
Das Gespräch war für mich so schockierend, so unglaubhaft, dass ich alles in mein Tagebuch schrieb, um es nie zu vergessen. Nie! Es ist der Beweis, in welchen Teufelskreis ich geraten war.
Donnerstag, 31. Oktober
Heute habe ich ihn belauscht. Ihn und den Fremden Mann. Sie haben über mich gesprochen.
Der Fremde hat gesagt: „Deine Stieftochter ist sehr schön. Viel zu schön, um sie zu verstecken! Ist sie nicht bald so weit?“
Stiefvater hat gesagt: „Du wirst noch etwas warten müssen. Sie ist noch nicht angestochen!!“
F: „Besorgst du es ihr?“
S: „Worauf du dich verlassen kannst!“
F: „Sie ist in einem sehr reizvollen Alter.“
S: „Ich weiß. Deshalb will ich bald etwas mit ihr machen.“
F: „Was?“
S: „Bilder! Hast du Interesse?“
F: „Was für Bilder?“
S: „Eindeutige Bilder. Ein blutjunges Mädchen!“
F: „Alles zu sehen?“
S: „Alles! Und noch mehr. Auf der Rückseite des Bildes steht ihre Telefonnummer. Du kannst mit ihr sprechen, während du ihr Bild von ihr hast.“
F: „Wann ist es soweit?“
S: „Bald!“
F: „Wie viel?“
S: „Dass muss ich mir noch überlegen. „
F: „Gut. Sag mir Bescheid.“
Dieses Schwein! Er will Bilder von mir machen. Und bestimmt noch mehr. Ich werde alles Mutter sagen!
Ich habe Mutter nichts davon gesagt. Weil die Erinnerung an das Gespräch in einem so krassen Gegensatz zur Wirklichkeit stand. Mein Stiefvater war noch liebevoller zu mir, viel aufmerksamer, viel zuvorkommender als vorher. Es war wohl meine Jungend, meine Unerfahrenheit und meine Gutgläubigkeit, die mich schweigen ließen.
Und nicht zuletzt trug Mutter mit dazu bei, mich noch enger an ihn zu binden. Sie versicherte immer wieder, wie glücklich sie über unser gutes und liebevolles Verhältnis sei.
Die Zeit verging. Ich vergas das Gespräch zwischen meinem Stiefvater und dem fremden Mann. Mehr als ein Monat war seit damals vergangen. Nichts war geschehehn.
Nichts was das Gespräch von damals verwirklicht hätte.
Mein sechzehnter Geburtstag kam. Er fiel auf einen Samstag. Mein Stiefvater hatte ihn nicht vergessen. Mutter lag krank im Bett. Aber er, er kümmerte sich um mich. Er fuhr mit mir in die nahegelegene Stadt und kaufte mir ein Geburtstagsgeschenk. Etwas, das ich mir schon lange gewünscht hatte, ohne jemals darüber gesprochen zu haben. Er kaufte mir Nylonstrümpfe und einen Strumpfhalter.
Ich war glücklich. Überglücklich. Damals! An diesem Nachmittag. Weil er mich auch noch zu Kaffee und Kuchen einlud und anschließend mit mir ins Kino ging. Ich fühlte mich richtig erwachsen.
Bevor wir wieder nach Hause zurückfuhren, machten wir noch einen kleinen Stadtbummel. Wir schlenderten durch die Straßen. Die ersten Schneeflocken fielen. Es roch überall nach gebrannten Mandeln, nach Nüssen und Lebkuchen.
Die Schaufenster waren für das bevorstehende Weihnachtsfest geschmückt. Glitzernde Sterne. Goldene und silberne Engel. Tannenzweige. Buntfarbene Kerzen.
Es war schon spät, als wir nach Hause kamen. Mutter schlief bereits. Er bedeutete mir, leise zu sein und zog mich mit sanfter Gewalt in die Küche. Wir plauderten noch ein wenig miteinander. Und wir tranken. Schnaps. Viel Schnaps.
Nun, liebe Freundin, ich kann nicht sagen, dass er an diesem Abend sein wahres Gesicht gezeigt hätte. Die vorangegangenen Stunden, der gemeinsame Besuch in der Stadt, unsere Harmonie – an diesem Abend fand ich ihn besonders sympathisch.
Deshalb war ich auch gern bereit, mich ihm in meinen neuen Strapsen und Strümpfen zu präsentieren, worum er mich gebeten hatte.
Bewundern sagte er zu mir: „ Du siehst bezaubernd aus!“
Mit diesem Worten gab er mir ein Päckchen. Ich fand darin eine Garnitur aus hauchzartem, durchsichtigem Stoff. Der Schnaps nahm mir mein Gefühl der Scham. Kichernd zog ich mich vor ihm um.
Helles Licht flammte plötzlich auf. Blitzlicht! Mehrere Male. Eine Stimme dirigierte mich: „Setz dich auf den Tisch!“, „Leg dich auf den Rücken!“, „Stell die Beine auf!“, „Spreiz die Schenkel!“, „Dreh dich um!“, „Heb den Po!“, „Zieh dich ganz aus!“, „Schieb dir deine Finger unten rein!“, „Leck sie ab!“
Irgendwann wurde wieder alles dunkel. Dunkel und still.
Ich war allein. Allein und betrunken. Unfähig zu begreifen, was eben geschehen war.
Doch mein Stiefvater hatte, was er wollte. Bilder! Er hatte eindeutige Bilder von mir!
Irgendwann stand ich vom Tisch auf und rutschte herunter.
Torkelnd und taumelnd ging ich in mein Zimmer. Ich ließ mich auf mein Bett fallen und fing wieder an mich zu streicheln. Nein, ich streichelte mich nicht, ich fickte mich mit meiner Hand. Verzeih mir Freundin, das ich solche Worte gebrauche, doch es gibt kein anderes Wort um es zu umschreiben. Und auch schäme ich nicht zu behaupten das ich daran gedacht hätte, es wäre nicht meine Hand die dort in meiner nassen Möse herumwühlte, sondern das es sein Glied gewesen wäre.
Ich konnte mich am nächsten Tag kaum noch an die Einzelheiten erinnern. Nur daran, dass er mir Nylonstrümpfe zum Geburtstag geschenkt hatte. Und Strapse. Stolz schrieb ich das in mein Tagebuch. Mehr nicht. Nichts von den Bildern.
Ja, liebe Freundin, mein Stiefvater hatte den ersten Schritt getan. Jetzt musste er mich nur noch „anstechen“ wie er sich ausgedrückt hatte und mich für seine geplanten „Telefonspiele“ gewinnen.
Doch mehr darüber in seinen nächsten Briefen. Ich bin nun müde. Das Schreiben hat mich angestrengt. Gerade dieser erste Brief. Sicher, es war auch eine Versuchung, längst Vergessenes wieder aufleben zu lassen. Aber du sollst wissen, dass ich noch nie mit jemandem darüber geschrieben habe. So kann ich nur hoffen, dass mir helfen wird, was ich hiermit begonnen habe.
Eine briefliche Beichte.
Deine Martina
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