"Ich bin seine Sklavin"
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„Ich bin seine Sklavin“

Marion gehört ihrem Master. Sie muss tun, was er will, jeden Tag. Für sie ist ihre Beziehung perfekt.

Als Maron das erste Mal den Ring um ihren Hals legt, das Metall auf ihrer Haut spürt, denkt sie: Ich bin seins. Ich gehöre ihm. Ich werde diesen Ring ab heute immer tragen, so, wie ich ihm ab jetzt immer gehorche.

Marion und ihr Master, der anonym bleiben möchte, leben in einer Beziehung, die eine Regel kennt: Er kann über sie verfügen. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. Deshalb trägt sie einen Ring aus Metall um den Hals. Er ist sein Geburtstagsgeschenk. An dem bringt er eine Leine an, wenn er will. Dann führt er sie auch sichtbar. Es ist ihre freie Entscheidung.

„Ich bin seine Sklavin“, sagt sie. „Weil ich es will.“

Marion Geschichte ist wie eine lange Reihe von Fragen: Wie kann das sein? Kannst du dir vorstellen, der Besitz eines anderen Menschen zu sein, wie ein Sklave? Tun zu müssen, was dein Besitzer verlangt? Weil es dich glücklich macht? Kann Unterwerfung glücklich machen? Darf sie das? Und wer bestimmt eigentlich, was sein darf?

Marion und ihr Freund kennen sich seit Sommer 2015, vom Stammtisch der Montabaur SMJG, der Sadomasochistischen Jugendgruppe e. V. Das ist laut Eigenbeschreibung „ein gemeinnütziger Verein für Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahren, die sich für BDSM oder Fetischismus interessieren“. BDSM wiederum steht für das englische „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism“.

Jeden zweiten Samstag im Monat um 18 Uhr treffen sich bis zu 40 Menschen, in einem ganz gewöhnlichen Lokal. Marion ist „Stammi-Orga“, also für den Stammtisch zuständig. Auf dessen Webseite steht ein Zitat: „Die Antwort auf Fragen, die mit ‚Bin ich eigentlich der Einzige …‘ anfangen, ist grundsätzlich ‚Nein‘.“

Hier finden also die für den größten Teil der Gesellschaft ­Abartigen, die Perversen, ihre Gesellschaft. Der Stammtisch ist ­Marions er­weiterter Freundeskreis. „Ich hatte damals einen Tisch auf dem Oktoberfest“, sagt Marion. „Also habe ich zehn Leute vom Stammtisch mitgenommen.“

Marion und ihr Freund sind sich vorher schon etwas näher­gekommen. Haben überlegt, ob sie mal „miteinander spielen“ wollen. „Spielen“, so nennen die BDSMler eine „Session“. Eine Session ist ein Akt der Unterwerfung und Dominanz. Mit Sex oder ohne. „Manchmal geht es nur um Fesselung“, sagt Marion, „nur um Schläge oder sogar nur um das Machtgefälle an sich. Manchmal schlafen wir miteinander. Manchmal nicht. Wir haben auch ganz normalen Sex, und damit meine ich harten Sex, bei dem ich passiv bin. Ich finde es ganz, ganz grässlich, aktiv zu sein. Ich hasse es, oben zu sein. Ich will diese Situation nicht antreiben. Ich bin gern dabei. Ich fange den Sex auch mal an. Aber ich will niemals ­dominant sein.“

Sonntag nach dem Wiesntag „spielen“ sie zum ersten Mal. Ohne Sex. Nach einer ihrer ersten Sessions, Montag oder Dienstag – der erste Kuss. Beim sogenannten Auffangen. „Es ist sehr ­wichtig“, sagt Marion, „dass der Sub, also ich, sich nach einer Session ­geliebt fühlt. Einfach in den Arm genommen wird.“ Das ­intensive Erleben von Schmerz und Erniedrigung überflutet den Körper mit Adrenalin. Die sexuelle Lust schickt Endorphine durch das System. „Danach sind beide oft körperlich wie seelisch erschöpft.“

Er löst ihre Fesseln und hält sie. Und sie merken beide: Da ist mehr.

Erst am Mittwoch fährt er heim. Für Wäsche, er hat ja nur die Lederhose dabei. Noch eine Woche hat er frei, also bleibt er bei ihr. Holt die verderblichen Lebensmittel, schaltet die Geräte aus. „Nach einer Woche waren wir bei: Ich liebe dich“, sagt er. Marion ist seine erste große Liebe, die erste ernsthafte Beziehung. Marion ist weiter, hatte ihren ersten Freund mit 14, ist seitdem nur kurz Single, sonst immer vergeben. Vor ihm hat sie fast nur „Vanilla-Beziehungen“, also „normale“, ohne BDSM. Der Ausdruck kommt von der Eissorte Vanille, die fast alle Menschen mögen. „Sogenannter Blümchensex hat mich oft frustriert. Wenn er mich küssen wollte, und ich mich entzogen habe, weil ich eigentlich möchte, dass er sich den Kuss einfach nimmt. Und er so: Oh mein Gott, ist etwas? Was habe ich falsch gemacht?“

„Am Schwung der Peitsche kann man arbeiten. An der Führung weniger“

Sie findet – wie viele junge Frauen – heraus, wie sie ihren Freund subtil steuern kann. Und findet das „unglaublich langweilig. Ich wollte ja gesteuert werden.“ Schon in ihrer Pubertät dominieren die sexuellen Fantasien, in denen sie immer die Unterwürfige ist. „Das war verwirrend: Wenn im Fernsehen von einem Entführungsfall die Rede war, habe ich mich in die Rolle des Opfers versetzt. Es hat mich erregt. Und das ist gesellschaftlich ja nicht konform.“ Mit 14 entdeckt sie Pornos, „auf Youporn, und damit hatte ich dann einen Begriff: BDSM. Also habe ich bei Wikipedia nachgelesen, was das ist. Das war eine wahnsinnige Erleichterung: Ich bin nicht allein.“ Mit dem Mann vor ihm, ihrem Ex-Freund, erlebt sie „Kinky Sex“, also mit Sadomaso, und versucht auch „24/7″. Also: nicht nur im Bett die Untergebene zu spielen. Sondern immer. „Aber er führte mich komisch. Am Schwung der Peitsche kann man arbeiten. An der Führung weniger. Das ist wie mit einem guten oder schlechten Chef. Bei einem Guten macht man gern, was der will.“

Bei ihm will sie das, von Anfang an. Sie verlassen kaum ihre Wohnung. „Nach drei Tagen sagte ich schon: Ich bin deins“, erzählt Marion. Sie spürt: Er ist für sie der richtige Dom. Sie ist für ihn die richtige Sklavin. „Es war vom Spielen an die richtige Dosis. Schmerz, Unterwerfung, Sexuelles. Er hat mich nicht überfordert, und danach war es total schön, in seinen Armen auf dem Teppich zu kuscheln.“

Erst am Ende dieser zwei Wochen im Oktober haben Marion und er ein „erstes Date“. Weil sie noch nie eins hatte – und er ihr etwas bieten will. Sie gehen zum Italiener, rennen zusammen durch den strömenden Regen, er leiht ihr seine Jacke. „Er war patschnass“, sagt sie, „total romantisch.“

Ein halbes Jahr später vermietet er seine Wohnung, die er nicht mehr braucht. Er zieht zu ihr. Wieder ein halbes Jahr später finden sie eine größere Wohnung. Sie ziehen zusammen. „Wir kannten außer unseren Neigungen wenig voneinander“, sagt Marion. „Lieblingsfarbe? Lieblingsessen? Wie war deine Kindheit?“ – „Das hätte auch schiefgehen können“, sind sie sich einig.

Denn sie könnten verschiedener nicht sein. Marion studiert Tourismusmanagement. Mit wenig Elan. Hat gerade erst vergessen, sich zur Prüfung anzumelden. Und weiß nicht so recht, was sie mal werden will. Er hingegen hat einen Plan, einen soliden Arbeitgeber. Wenn er von seinem sehr technischen Beruf erzählt, versucht sie, still zu sitzen. Schwirrt ansonsten durch den Raum mit ihren rötlichen Haaren, der hellen Haut, den langen Armen, die immer etwas in die Luft malen, so heftig, dass der Ring um ihren Hals klimpert. Er, dunkle Haare, bleibt ruhig, die Hände im Schoß. Sie erzählt, während er beobachtet, ab und zu kommentiert, ergänzt. Meistens aber gutmütig schweigt.

Im Schlafzimmer zeigen sie die Peitschen, die säuberlich an der Wand hängen. Vom Paddel bis zur Rosshaarpeitsche, zehn verschiedene Schlaggeräte. Alle kunstvoll gearbeitet. Sie kosten bis zu 250 Euro im Fachversand. „Das billige Zeug taugt nichts“, sagt Marion und geht zum Bock im Wohnzimmer, der neben dem Sofa in der Ecke steht. Auf den schnallt er sie manchmal, um sie zu schlagen. An der Decke hängen zwei Haken. Daran hängt sie wehrlos, wenn er es will. Im Wohnzimmerschrank, unter dem Internet-Router, liegen dafür in einer Schublade 150 Meter Seil. An der Wand hängt die Zeichnung einer gefesselten Frau. Aber sonst? Sieht es bei Marion und ihrem Freund sehr normal aus: Fernseher, Tisch, Teppich. Auf dem Balkon ein halb voller Bierkasten. Auf einem Schrank warten ihre Kuscheltiere auf irgendwas.

Marion und ihr Freund sind einander echte Gegenteile. Aber ihre Neigungen passen von Anfang an sehr gut. „Es geht darum, welche Aspekte man sich wie beim Spielen vorstellt“, sagt er. „Zum Beispiel beim Spanking, dem Schlagen: Wenn man masochistisch ist, ist das Lustgewinn. Wenn man nicht masochistisch ist, kann das trotzdem als dominante Geste schön sein. Darüber muss man sprechen: Was für wen was bedeutet. Wo der Fokus liegt. Warum man sich etwas wünscht.“ BDSMler unterscheiden zwischen ­„sadistisch“ und „dominant“. Das eine ist der körperliche Schmerz. Das andere die Macht. Man kann beides sein, muss aber nicht. Das Gegenstück: „masochistisch“ und „devot“. Die Akteure sind „Dom“ und „Sub“ – also ein dominanter und ein „submissiver“, also devoter Part.

Sadomasochismus wurde früher noch als psychische Störung gesehen

„Es gibt alle Kombinationen, auch ‚Switcher‘“, sagt Marion, „zum Beispiel devot-masochistisch und gleichzeitig sadistisch.“ – „Deshalb klärt man wirklich einzelne Praktiken ab. Verschiedene Schlaginstrumente, welche Art von Schmerzen man mag, in welcher Situation, was geht überhaupt nicht?“, sagt er. Marion ist in ihrer Beziehung devot und eher masochistisch. Sie will geschlagen und dominiert werden.

Sadomasochismus wurde in der klinischen Psychologie früher als psychische Störung diagnostiziert. Heute ist er eine sexuelle ­Neigung unter vielen, einvernehmlich und zur Befriedigung aller Beteiligter ausgeübt, zumindest in der Psychologie akzeptiert. Zwischen fünf und 25 Prozent der Deutschen stehen aktiv auf eine dieser Spielarten, schätzen Psychologen. SM-Fantasien haben ­jedoch deutlich mehr. Aber wie geht das praktisch? Wie schafft man einen Alltag, wenn einer immer der Boss ist?

„Es gibt zwei Ebenen bei uns: die Dom-Sub-Ebene und die Beziehungsebene“, sagt sie. „Auf welcher wir uns befinden, ist von Stimmungen und Situationen abhängig. Auf der Beziehungsebene bin eher ich diejenige, die führt. Was wir so machen, wen wir treffen, wohin wir in Urlaub fahren.“

Sie nimmt ihre rote Lieblingspeitsche in die Hand, lacht, deutet einen Schlag an, während er mit verschränkten Armen neben ihr steht. Beide tragen sie den „Ring der O“ am Ringfinger, der aussieht wie ihr Halsring in klein: ein Ring mit einem kleinen weiteren Ring darauf, er links als aktiver Part, sie rechts als passiver Part. Es ist das Erkennungszeichen für Sadomasochisten aus dem SM-Klassiker Geschichte der O. Und angeblich früher Teil eines Handschmucks von Sklaven, die den Ring am Mittelfinger trugen. Und von dem aus eine Kette ums Handgelenk lief.

„Auf der DS-Ebene hat er das Sagen“, erzählt Marion. „Das hat Konfliktpotenzial. Wenn er einfach etwas durchsetzt, wenn ich auf der Beziehungsebene bin, werde ich sauer. Dann streiten wir auch mal richtig. Wir versuchen, das zu optimieren, zu verstehen, wann der andere auf welcher Ebene ist.“ Wie viel sind sie in welcher ­Rolle? „Eigentlich ist die Idee, immer in den Rollen sein“, sagt er.

„Ich schmeiße den Haushalt“, sagt sie. „Aber er bestraft mich auch nicht, wenn ich es nicht tu.“ Er sagt: „Es ist nicht so, dass der eine ständig über das Leben des anderen bestimmt. Sie muss mich nicht bei allem um Erlaubnis fragen.“

„Ich muss nicht immer das Geschirr abwaschen.“

„Ich lege ihr nicht die Kleider raus, die sie anzuziehen hat. Das wäre mir auch viel zu anstrengend.“

„Natürlich könnte er es sich leicht machen und sagen: Kochen, putzen, abwaschen – alles deine Sache. Aber das wäre sehr, sehr ungesund. Wie in jeder anderen Beziehung auch.“

Die meisten von Marion Freunden sind „Kinky“, nicht „Vanilla“. Sie wissen Bescheid. Nur seine Familie weiß bis heute nichts von dieser speziellen Beziehung. „Meine Eltern sind sehr konservativ. Sie hatten keinen Sex vor der Ehe. Sie würden sich nur Vorwürfe ­machen und fragen, was sie in der Erziehung falsch gemacht ­haben.“ Auch die meisten seiner Freunde sind ahnungslos, Arbeitskollegen erst recht. Nur der eine Kumpel, der seine Wohnung übernahm, weiß Bescheid. „Dem mussten wir den Deckenhaken im Schlafzimmer erklären“, sagt sie.

Marions Familie und Freunde wissen alles. Von der Kommilitonin bis zur Oma. „Damit ist man natürlich sofort der Mittelpunkt des Gesprächs. Es geht nur noch darum: Wie lebe ich, was mache ich, warum? Manche erzählen dann auch selbst offener von ihren ‚normalen‘ Beziehungen.“

Wenn Marion und ihr Freund „normal“ sagen, dann setzen sie das mit ihren Händen in Anführungszeichen, weil es einfacher ist. Die meisten „normalen“ Menschen in ihrem Umfeld reagieren ­positiv. „Nur meine Eltern waren überrumpelt“, sagt sie. Ihre ­Mutter fragt immer wieder: Was haben wir denn falsch gemacht? „Nichts haben sie falsch gemacht“, sagt Marion. „Ich bin halt so. Das konnten oder wollten sie erst nicht verstehen.“

Eine andere Theorie besagt, dass devote Frauen beim Masturbieren den ganzen Körper anspannen müssen, um zu kommen

Beide sind überzeugt: Es gibt keine zentrale Ursache. Kein Kindheitserlebnis als Schlüssel. Die Neigung war einfach da, vielleicht schon immer. Marion erinnert sich: „Als Kind habe ich beim Cowboy-und-Indianer-Spielen eher genossen, an den Marterpfahl gefesselt zu werden. Ich habe das Spiel eben so gestaltet, wie es mir Spaß gemacht hat.“

Eine andere Theorie besagt, dass devote Frauen beim Masturbieren den ganzen Körper anspannen müssen, um zum Orgasmus zu kommen. Und deshalb die Fesseln, den Druck von außen genießen. „Ich frage alle, wie sie masturbieren, und es ist erstaunlich zutreffend“, sagt Marion. „In der Szene spekulieren wir gern, ­warum wir so sind, wie wir sind. Aber niemand behauptet, es zu wissen.“ Auch die Wissenschaft hat keine endgültige Erklärung. Keiner ihrer theoretischen Ansätze konnte je bewiesen werden.

Und dass offenbar mehr Männer dominant sind und Frauen eher devot? „Erziehung“, sagt Marion bestimmt. „Als Frau bekommst du mehr verboten: Geh nicht mit fremden Männern, lass deinen Drink nicht aus den Augen, tu dies nicht, pass hier auf. Du wirst ­zurückhaltender, passiver erzogen. Was wiederum letztlich auch auf Biologie fußt, weil Männer nun mal körperlich stärker sind als Frauen.“

„Die Gesellschaft vermittelt mir ein stärkeres Männerbild. Männer steigen vielleicht deshalb eher dominant ein“, sagt er. „In unserem Umfeld sind fast immer die Frauen devot. Vor allem bei den 24/7-Paaren, die wir kennen.“

„Das gleicht sich dann ein bisschen an mit dem Alter. Beide entdecken ihre andere Seite“, sagt sie.

Das alles erklärt sie auch ihren Eltern.

Ihr Vater akzeptiert schnell. „Ich habe mir von ihm eine Rosshaarpeitsche zum Geburtstag gewünscht. Fand er gut. Aber dann ist uns aufgefallen, dass die Peitsche als Geschenk doch etwas zu viel für Oma und Opa wären, die auch auf der Feier sind.“

Ihre Mutter tut sich schwerer. „Sie hatte ihr vorgefertigtes Bild im Kopf: Alle Sadisten sind kranke Psychopathen und ich nur das wehrlose Opfer, das in einer Orgie vergewaltigt wird. Es hat lange gedauert, bis wir offen sprechen konnten.“

Und offen sprechen, das will Marion, auch in der Öffentlichkeit. Sie will sich nicht verstecken. Sie will aufklären. Sie ist das Gesicht der Montabaurner Szene, geht auf Podien und ins Fernsehen, wenn sie gefragt wird. Die meisten BDSMler finden das gut, sehnen sich nach mehr Akzeptanz, wollen nicht mehr die Perversen sein, ihre Eltern im Sommer nicht mehr anlügen, woher die blauen ­Flecke kommen.

„Wir sind total normale Menschen. Es geht bei uns nicht nur um speziellen Sex. Wir machen alles Mögliche, zusammen kochen, quatschen“, sagt er. „Wir planen gemeinsame Projekte mit den Stammtischteilnehmern, gehen campen oder auf eine Hütte. Oder schauen uns zusammen den neuen Teil von Fifty Shades of Grey an. Wobei das bei uns Fifty Stades of Lachanfall heißt.“

Die Trilogie um den reichen Christian Grey und seine devote Freundin Anastasia Steele verkaufte sich über 100 Millionen Mal, die Verfilmung spielte 570 Millionen US-Dollar ein. Plötzlich waren in deutschen Baumärkten die Kabelbinder ausverkauft. Der Mainstream flirtete mit dem Fetisch.

„Absoluter Bullshit“, nennt Marion die Softcore-Reihe. „Dabei finde ich den Film sogar ganz nett. Nur lachen wir an anderen Stellen als Vanillas.“ Weil es bei ihnen so viel härter ist?

„Weil es bei uns so anders ist“, sagt er. „Es fehlt im Film so viel. Da geht es nur um Schläge. Nicht um die Einleitung, das Auffangen, die Beziehung drumherum.“

„Und diese Beziehung ist krank. Es geht nur um seine Sexualität. Sie will ihn nur retten. Völliger Blödsinn“, sagt Marion.

„Unsere Beziehung ist viel Arbeit. Aber das würde niemand lesen“, sagt er. Stattdessen gibt es bei Grey nur einen Vertrag, den er ihr vorsetzt. „Lächerlich ist das“, sagt er.

„Man muss konstant reden, nachverhandeln, sich neu einigen“

Marion und er haben auch einen Vertrag. Eine Word-Datei, die sie einmal im Monat zusammen öffnen. Mit den wichtigsten Regeln. „Zum Beispiel, dass sie sich zur Begrüßung hinkniet. Um den DS-Aspekt unserer Beziehung hervorzuheben.“ Coco nickt. „Dass ich mich nicht ohne Erlaubnis hinsetzen kann. Wobei das beim ­gemeinsamen Essen nach dem 10 000. Mal aufstehen nicht mehr reizvoll ist, sondern nur noch lästig. Inzwischen nimmt er sich die Macht, wenn er möchte. Die richtige Dosis ist viel besser als stän­dige Herrschaft.“

„Man muss konstant reden, nachverhandeln, sich neu einigen“, sagt er. Klingt wie eine „normale“ Beziehung. Aber, ganz ­ehrlich: Was ist schon normal? Darf nicht heute zum Glück endlich jeder selbst bestimmen, was für ihn oder sie normal ist? Ist das nicht die Definition von Freiheit?

„Freiheit“, schrieb die israelische Soziologin Eva Illouz ausgerechnet in Warum Liebe weh tut, „war das wesentliche Markenzeichen der Moderne, die Parole unterdrückter Gruppen, der Ruhm der Demokratien, die Schande autoritärer Regime und der Stolz kapitalistischer Märkte.“

Große Worte. Für eine große Errungenschaft. Die eine junge Frau ausgerechnet dafür nutzt, sie wieder aufzugeben?

„Vielleicht bedeutet wahre Freiheit heute auch“, sagt Coco, „sich zu unterwerfen. Zu vertrauen. Sich fallen zu lassen. Ganz.“

Sie schaut ihn an. Ihre Wangen sind vom Erzählen gerötet, ihre Augen glitzern, ihre Hand spielt mit ihrem Halsring.

Frei sieht sie aus. Und sehr stark.

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